Montag, 15. März 2010
Endlich mal wieder ein Problem
Während Andere sich vielleicht ein Surfbord ausgeliehen hätten, um sich an einem schönen Sommertag in Anglesea, beim Point Addis oder am weltberühmten Bells Beach nahe dem entsetzlichen Touristenort Torquay mal wieder im Surfen zu versuchen, durfte ich den Tag damit verbringen, auf der Fahrt Richtung Melbourne irgendwo einen Mechaniker aufzutreiben, der mein Auto reparieren kann.


Lieber hier surfen, als woanders ein kaputtes Auto haben

Was vor Kurzem nur eine gelegentliche Macke war, ist jetzt nämlich Dauerzustand geworden: Der Wagen lässt sich nicht mehr abschließen, denn die Zentralverriegelung öffnet die Schlösser jedesmal sofort wieder. Vermaledeite Technik. Mit Vielem könnte man vielleicht erst einmal leben, aber DAS muss dringend repariert werden. Heute noch.

Es ist bereits Nachmittag, als ich in Geelong endlich den geeigneten Fachmann finde. Nur ist es für diesen jetzt leider bereits zu spät, um die Arbeit vernünftig zu erledigen, denn der Wagen hat fünf Schlösser, die, wenn es schlecht läuft, alle ausgebaut und überprüft werden müssten. Na, das hebt doch die Stimmung ungemein.

Trotzdem nutze ich die verbleibenden Stunden, und schaue mir noch die Bellarine Peninsula an. Geelong hatte ich bei der Suche nach verfügbaren Automechanikern schon hinreichend durchfahren und für ausgesprochen scheiße befunden. Die östlich davon gelegene Bellarine-Halbinsel ist ebenfalls minderüberzeugend und sowohl verkulturwüstet als auch reichlich zersiedelt. Ganz im Osten gibt es wenigstens gefälligere Ecken und sogar ein paar Lichthäuser.

Von irgendwo dort sieht man bereits, noch teilweise hinter dem Horizont versunken, die Hochäuser von Melbourne wie einer düsteren Burg dräuende Türme, die unheilvoll von Lärm, Hektik, Verkehrschaos, Parkplatznot, Dreck und Gestank künden.


Melbourne in der Ferne

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Rätsel Zwo
Zur Auflockerung zwischendurch ein echt fieses Suchbild - nicht schummeln und gleich nach unten zum zweiten Bild schauen!


Wo versteckt sich der Saurier?














Lösung:


links oben vom Farn im Vordergrund, hinter einem Baum

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Die Great Ocean Road
Unterwegs wird die Landschaft langsam grüner, ich komme sogar durch eine ausnahmsweise ansehnliche Ortschaft namens Port Fairy, und muss, es ist mittlerweile Montag, der 22. Februar 2010, in Warrnambool mal wieder mein Auto warten lassen. Die Zeit bis zum Termin in der Werkstatt nutze ich für etwas Sightseeing. Dabei geschieht etwas Furchtbares: Ich gerate in eine Kunstgalerie! Weiß der Teufel, wie das geschehen konnte. Am Ende muss ich sogar zugeben, dass die Warrnambool Art Gallery gar nicht so übel ist. Ein traumatisierendes Erlebnis, das mir sicher noch lang nachhängen wird.

Um 13 Uhr ist endlich der Wagen in Bearbeitung. Das gestrige Auslaufen der Kühlflüssigkeit bleibt ohne Befund. Seltsam. Und es steigert nicht gerade mein Vertrauen, dass der Wagen bis zum Ende durchhält, obwohl er gerade mal schlappe 425.000 Kilometer auf dem Tacho hat.

Alsbald ist es soweit: Denn für jeden anständigen Australienreisenden ist diese Strecke schlicht le must. Für übersättigte Dauerreisende ist die Great Ocean Road allerdings längst nicht so spektakulär wie erwartet, auch wenn sie durchaus mit tollen Aus- und Anblicken aufwartet. Steinformation oder Felsen mit diversen Löchern hatte ich ja bereits andernorts in ähnlicher Form zu Hauf' gesehen gehabt, plusquamperfektivischerart.

Wenn Sie einmal selbst schauen wollen:


Bay of Islands oder die 12 Apostel für Arme


The Grotto


London Bridge mit nur noch einem Bogen


Bei der Loch Ard Gorge

Am folgenden Tag sind endlich die weltberühmten Zwölf Apostel dran, die arm dran sind, weil es nur noch ungefähr 8,5 sind. Die Küste ist logischerweise ständiger Veränderung unterworfen, weil das Meer ununterbrochen an den Klippen nagt. Hin und wieder bricht einer der "Roten Annas" zusammen, irgendwo entsteht vielleicht ein neuer. Völlig bescheuert ist aber, dass es selbst zur Zeit der Namensgebung nur neun Apostel waren. Welcher Schwachkopf hat sich das bloß ausgedacht?


Die achteinhalb Apostel

Auf dem Parkplatz bei den Aposteln herrscht großer Andrang, obwohl weder Wochenende noch Feriensaison ist. Hier haben sie sogar Toiletten für Asiaten installiert, Modell "toilette turc". Weil die mit westlichen Schächten nicht zurechtkämen, wie mir die Reinigungsfachkraft erklärt und dabei genervt ihre Augen verdreht. Die touristische Bedeutung der Great Ocean Road wird außerdem durch Warnschilder deutlich, die an vielen Stellen der Strecke stehen:


Ach was?!

Es lebe die Nebensaison. Immerhin spielt das Wetter heute mit und das Meer verhält sich bilderbüchlich. So ist die Szenerie um die paar Steintürme ganz schön.

Zur Abwechslung fahre ich erst einmal ins Hinterland. In den Überbleibseln eines vom weiteren Kahlschlag verschonten, kühlen Regenwaldes findet sich ein weiterer Brückenweg durch teils millionen Jahre alte Pflanzenarten. Die Konstruktion ist ähnlich und doch anders als die im Valley of the Giants. Vor Allem weniger schwankend.


Otway Fly Tree Top Walk

Wasserfälle in der Nähe müssen leider links liegen bleiben, da um 17 Uhr der Leuchtturm am Cape Otway schließt. Der will auch dringend besichtigt werden. Auf der Stichstraße dorthin parken mitten im Wald lauter Touristenfahrzeuge wild in der Gegend herum. Der Grund dafür wird mir erst auf den zweiten Blick klar, denn ich hatte es eilig, konnte also nur nach vorn und nicht noch nach oben in die Bäume schauen. Dort hängen die typisch australischen Pelzknubbel in gemütlichen Astgabeln herum - freilebende Koalas. Immer noch keine Action drin, aber sie sind überall!


Ganz entzückend, diese flauschigen Ohren ...

Das verschafft mir als Alleinreisendem einen entscheidenden Zeitvorteil. Während die anderen Männer sich noch abmühen, ihre Frauen von den niedlichen Tierchen weg zu zerren, komme ich schon am Leuchtturm an. "Erster" würd' ich gern rufen, wenn der Parkplatz nicht schon voll mit lauter noch Ersteren wäre. Dieses Bild setzt sich hinter dem Ticketschalter fort: Die Anlage ist ganz nett, mir jedoch schon wieder leicht zu touristisch. Aber dafür kann der Leuchtturm ja nichts.


Am Cape Otway

Ein solches Foto mit Geländer und Meer hat die Welt bisher noch gar nicht gesehen, glaube ich. Wie dem auch sei, der Turm wurde 1848 natürlich nicht aus Jux und Dollerei errichtet, sondern weil bis dato bereits 18 Schiffe zwischen dem Kap und King Island gesunken waren. An vielen anderen Stellen dieser rauhen Küste wurde ebenfalls fleißig havariert und gesunken, weshalb sie sich den Namen shipwreck coast ehrlich verdient hat.

Anschließend führt die große Ozeanstraße über Hochebenen weiter, vorbei an Hügeln und Tälern, bis hinunter zum Ort Apollo Bay.


Kurz vor Apollo Bay

Ab hier ist die Küste weniger kliffig und die Straße führt tendenziell weiter unten am Meer entlang, wodurch sich zwar immer noch nette, aber weniger spektakuläre Ausblicke ergeben.


Sonstwo an der Great Ocean Road

Gleichzeitig werden die Orte jetzt zunehmend urbaner und touristischer, der Straßenverkehr nimmt stetig zu. Das ist nur noch von oben schön.


Teddy's Lookout bei Lorne

Je näher man schließlich Melbourne kommt, desto flacher wird die Gegend. Und dies durchaus auch im übertragenen Sinne, denn die Strecke verkommt mehr und mehr zu einem Naherholungsgebiet für die Großstadt. Am Ende versickert die einzigartige Küstenstraße in der Beliebigkeit uniformer Ortschaften. Das ist recht frustrierend. Man sollte besser anders herum fahren.

Die Great Ocean Road ist durchaus eine schöne Route, ja, gut, aber ich konnte leider nicht erkennen, warum nun ausgerechnet DIE zu den "Top 20" unter den weltweiten Reisezielen gehören soll.

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Montag, 8. März 2010
Mount Gambier
Wieder einmal wache ich mitten im Nirgendwo auf und wähne mich für einen Augenblick zu Herbstanfang in norddeutsche Niederungen versetzt.


Gibt es Hügel in Worpswede?

Ein kleiner Schlenker nach Südwesten bringt mich noch einmal nach South Australia. Das ist zwar eigentlich die falsche Richtung, aber ich wollte mir die durch Vulkane geprägte Landschaft unbedingt ansehen. Statt dessen muss ich mich leider erstmal um mein Auto kümmern, denn das Automatikgetriebe schaltet nicht mehr richtig. "Das wird teuer", höre ich den Mechaniker schon sagen. Er sagt es auch, aber glücklicherweise ist nur eine Manschette undicht, so dass Getriebeöl ausgelaufen war - hoffentlich noch ohne das Getriebe zu schädigen. Dazu noch leidige Einkäufe, Internet nebst Wäschewaschen und ich könnte mich eigentlich schon wieder hinlegen.

Aber es gilt noch Programm nachzuholen. Direkt Im Ort Mount Gambier liegt beispielsweise der Blue Lake, ein echtes Faszinosum. Der See ist in einem Vulkankrater entstanden, dessen Boden unterhalb des Grundwasserspiegels liegt. Anders als in anderen Seen bildet sich hier jeden Sommer und innerhalb weniger Tage eine strahlend blaue Wasserfarbe heraus, weil infolge chemisch-physikalischer Vorgänge Tannine und Algen kontinuierlich aus den oberen Wasserschichten verschwinden und durch Absorption beziehungsweise Reflexion besonders viel vom blauen Lichtanteil zurückgeworfen wird. Je später der Sommer, desto blauer der See. Dann verschwindet das Blau genauso schnell wieder, wie es entstanden war. In den übrigen Jahreszeiten ist der See grün-gräulich, wie andere Gewässer auch.


Der is' wirklich blue, der lake

Für den Blue Lake ist der Sommer also noch nicht vorbei, wie unschwer zu erkennen ist. Ein toller Anblick.

Ebenfalls in Mount Gambier befindet sich das Umpherston Sinkhole, entstanden durch eine kollabierte Höhlendecke. Leicht saures Regenwasser (durch Kohlendioxid aus der Atmosphäre) hat im Laufe der Zeit überall in der Gegend den Kalkstein allmählich aufgelöst und Höhlen entstehen lassen. Manche davon liegen heute oberhalb, andere unterhalb des Grundwasserspiegels - ein El Dorado für Höhlentaucher. In dem Umpherston Senkloch ist später ein illuminierter, öffentlicher Garten angelegt worden.

Mit Bananen sei ich dort der King, hatte mir der Getriebemechaniker noch gesteckt. Nach Einbruch der Dunkelheit sollen nämlich Fuchskusus hier ihr Unwesen treiben und sich füttern lassen. Da sitze ich nun mit meiner Bananenstaude in dem großen Loch herum, warte stundenlang auf den Sonnenuntergang, inhaliere währenddessen die fiesen Holzschutzmitteldämpfe des nahen Sägewerkes und nicht ein bloody possum gibt sich zu erkennen.


Umpherston Sinkhole

Im Visitor Centre hatten sie mich schon gewarnt, dass die Tierchen bereits reichlich überfüttert seien. Leider hatten sie Recht. Zu allem Überfluss muss ich jetzt im Dunklen einen Schlafplatz vor der Ortschaft suchen und laufe bei der Fahrerei ständig Gefahr, irgendein Tier zu überfahren. Aber es geht gut.

Das Frühstück noch nicht fertig zerkaut, mache ich mich am folgenden Tag gleich auf, den Mount Schank zu erklimmen, eines hoffentlich dauerhaft erloschenen Vulkans. In der schwindelerregenden Höhe von 158 m üNN lässt er sich auf seinem Kraterrand vollständig umrunden, toller Blick inklusive. Im Hintergrund ist sogar wieder das Meer zu sehen. Endlich.


Am Rande des Vulkans

Im Schlund des Vulkans zu stehen, sieht von oben allerdings weitaus spannender aus, als es am Grund dann ist. Egal, in wenigen Kilometern wartet ja schon die nächste Attraktion auf mich, ein Bad in 15 Grad kaltem Wasser. Noch bevor Antwort auf die Frage, ob ich noch alle Latten am Zaun habe, gefunden ist, bin ich bereits ausgefein für die norddeutschen Schilfteiche namens Ewens Ponds verkleidet.


Chic wie immer

Diese Teiche werden über Quellen aus dem gleichen Grundwassersystem gespeist wie der Blue Lake, von wo aus das Wasser ein paar hundert Jahre bis hierher braucht und schließlich glasklar zutage tritt. Mit einer leichten Strömung kann man sich dann über drei hintereinanderliegende, bis zu elf Meter tiefe Bassins und deren flache Verbindungskanäle treiben lassen. Meine Surfgarnitur ist eigentlich zu dünn für diese Wassertemperatur, aber die tolle Landschaft unter Wasser lässt mich die Kälte für ein paar Augenblicke vergesssen.


In einem Kanal der Ewens Ponds
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Nicht viel weiter liegen, direkt an der Grenze zu Victoria, die Piccaninny Ponds. Von oben ist wieder nur ein Schilfteich zu sehen. Unter der Oberfläche aber hat durch den Kalksandstein nach oben drängendes Grundwasser in Tausenden von Jahren eine Kammer und eine Höhle aus dem Gestein herausgespült, die an einer Stelle bis über 80 Meter in die Tiefe reichen.

Um in diesem Teich tauchen oder auch nur schnorcheln zu dürfen, braucht man eine Genehmigung vom Department Of Conservation oder kurz: DOC, das einem dann genau festgelegte, einstündige Tauchslots zuweist, damit maximal 8 Leute gleichzeitig im Wasser sind, um die empfindliche Unterwasserwelt möglichst wenig zu stören. Der Gedanke ist gut, die Organisation aber komplett Käse, denn das DOC schließt pünktlich zum Wochenende und lässt somit ahnungslose Touristen wie Wochenendler außen vor. Gut, diesmal war ich sogar rechtzeitig da, aber nur um zu erfahren, dass ich selbst zum Schnorcheln einen "Buddy" bräuchte, also einen Tauchpartner. Was für ein Unsinn.

Und auch gar nicht einzusehen. Kackfrech fahre ich jetzt also trotzdem hin. Niemand zu sehen. Na bitte. Schnell steige ich in meinen nassen, eiskalten Neoprenanzug und gleite geschmeidig wie ein Zitteraal von der Badeplattform. Das Wasser ist zwar etwas wärmer, doch die Enttäuschung ist groß: Der Teich ist voller Schwebeteilchen, die der starke Wind aufgewühlt haben muss. Von wegen glasklares Wasser mit Sichtweiten über 40 Meter. Pah. Aber halt, war da nicht noch ein zweites Becken? Und tatsächlich, hinter dem Schmodderschleier tut sich eine unfassbare Unterwasserlandschaft auf. Links und rechts steile Hänge, oben noch mit Schilf, dann mit Gräsern bewachsen, unten felsig, und in der Tiefe ein unergründliches, intensives Blau. Und erst der Blick von unten nach oben! Das Wasser ist so klar, als würde man Opel fahren, denn Opel fahr'n is' ja wie wennze fliechst. Ein Hammer!


In den Piccaninny Ponds
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An manchen Stellen kann man bis auf den Grund sehen. Die unterseeische Zauberwelt ist wirklich atemberaubend. Das ist wohl auch der Grund, warum ich gelegentlich zum Luftholen an die Oberfläche muss. Ein dort im Schilf brütender, schwarzer Schwan schaut mich zunächst leicht irritiert an, lässt sich ansonsten aber genauso wenig stören, wie die zwei dicken, fetten Aale, die mir unterwasser begegnen.

Ganz beseelt entsteige ich den Fluten und kann das eben Gesehene kaum fassen - genausowenig wie mein Glück, denn es dauert nicht lang und ehrliche Slotinhaber erscheinen um das Gleiche zu erleben. Zwischen den jeweiligen Tauchslots lässt das DOC nämlich immer eine Pause von einer Stunde. Genau die hatte ich zufällig erwischt.

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Donnerstag, 4. März 2010
The Grampians
Jetzt geht es endlich 'raus aus der Wüste, in Richtung Meer. Gut, ein paar hundert Kilometer sind es noch und viel Umwerfendes gibt es unterwegs vermutlich kaum zu sehen, aber das Ziel ist schon mal ermutigend. Irgendwann taucht dann plötzlich ein Felsmassiv mitten in der flachen Ebene auf, ähnlich den Stirling Ranges bei Albany. Im Abendlicht werden die Grampians schön beleuchtet, am Fuße der Berge grasen dutzende Känguruhs links und rechts der ruhigen Nebenstraße.


Die Grampians von Nordwesten

Ich bin mal wieder spät dran und setze noch schnell, bevor das Licht schwindet, Wasser für Nudelsuppe und Rasur auf, dusche mich wie üblich unter einem Schwall Wassers aus meinen Kanistern und merke erst dann, dass ich weder von Fliegen noch von Mücken genervt werde. Die Luft ist kühler und ein Bach rauscht im Hintergrund. Jetzt geht es mir gut, denn der wüste Teil dieser Reise, bis auf eine Ausnahme, ist jetzt dauerhaft abgehakt. Von Hitze und Staub habe ich mittlerweile genauso die Schnauze voll, wie die Lüftungsanlage meines Vehikels. Dann verkündet die Wettervorhersage allerdings, dass morgen für Melbourne 37 Grad zu erwarten sind. Nun gut, aber wenigstens kommen keine derart große Etappen mit ermüdend langweiligen Fahrstrecken mehr.

Nächstentags merke ich, dass selbstverständlich doch Mücken da sind, aber lediglich von harmloser Anzahl und Penetranz. Ungestochen geht es also bergauf, per Fahrzeug, versteht sich, vorbei an nettem Wasserfall und kleinem Stausee, bis zum Feuerwachturm Reed Lookout inmitten des Massivs. Über dessen steil abfallende Hänge hat man einen wirklich großartigen Ausblick auf die umliegenden Berge.


Am Reed Lookout

Dort wird auf einen äußerst interessantes Objekt hingewiesen, das ich mir gern noch angesehen hätte. Sieben Meilen waren mir aber einfach zu weit weg ohne die entsprechenden Stiefel.


Zum Arsch mit Ohren da lang

Überall in den Grampians sind Wanderwege der unterschiedlichsten Schwierigkeitsgrade verteilt und belohnen Wanderer oft mit toller Fernsicht. Der Weg zum Mt. William ist leider bescheuert, weil er lediglich eine für Autos gesperrte Asphaltstraße ist. Man wird dafür mit einem Wahnsinnsblick auf das umliegende Flachland entschädigt.


Blick vom Mt. William

Auf der anderen Seite enden die Grampians dann genauso plötzlich, wie sie zuvor aufgetaucht waren. Alles in allem eine schöne kleine Bergkette, die noch dazu viel übersichtlicher ist als die weit ausufernden Flinders Ranges, sofern das ein Qualitätskriterium sein kann.


Ende

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Eine Silbermine bei Silverton
Am nächsten Morgen bin ich wenigstens schon so gut wie da, in der Day Dream Silver Mine, der einzigen Mine weit und breit, in der überhaupt noch Führungen angeboten werden. Der Preis dafür ist mal wieder exorbitant gestiegen, um schlappe 66 Prozent seit 2007, so dass ich kurz geneigt bin, dies zum Thema eines vor Ort auszutragenden Disputs zu machen. Aufgrund der noch bestehenden Resterschöpfung vom gestrigen Tage lasse ich es bleiben und kaufe statt dessen kommentarlos ein Ticket. Ich kann es selbst kaum glauben.

Doch die Tour durch die kleine Mine war selbst den erhöhten Preis wert - kurzweilig, informativ und authentisch. Keine Besuchermine mit bequemen Wegen, ordentlich Kopffreiheit und hellem Licht. Denn die Mine war zwar bis 1983 in Betrieb, sieht aber so aus, als wäre sie gerade erst verlassen worden. Vor etwa 128 Jahren.

Was muss das damals für eine unglaubliche Plackerei gewesen sein. Kein Tageslicht, nur Kerzenlicht, keine Be- und Entlüftung, keine Maschinen, keinerlei Sicherheitsausrüstung, alles reine Handarbeit, jeden Tag 12 Stunden, 6 Tage die Woche.


Völlig ausreichendes Licht gem. ArbeitsstättenVO von 1882

So haben die Bergleute zwar sehr gut verdient, sind aber selten älter als 40 Jahre alt geworden. Dabei waren nicht etwa Bergunfälle die Haupttodesursache, sondern in erster Linie Staublungen, Leberzirrhosen vom Dauersuff und Krankheiten wie TBC oder Typhus, gegen die infolge von Mangelernährung und Lichtmangel Niemand Abwehrkräfte besaß. Ein tolles Leben. Aber sie haben es wohl nicht besser gewusst.

Nach der Minenbesichtigung werde ich im nahe gelegenen Silverton noch auf der Straße von einem Mitarbeiter des örtlichen Visitor Centres begrüsst und erhalte aus erster Hand exakt genausoviel hilfreiche Details zum road report, wie gestern im Besucherzentrum von Broken Hill.


Freundliche Begrüßung in Silverton

In der so genannten ghosttown hat sich früher ebenfalls Alles um den Bergbau gedreht, doch die Adern waren rasch erschöpft. Aber was soll das für eine Geisterstadt sein, in der lauter Leute wohnen? Und da wird sogar neu gebaut! Das ist doch Nepp. Ich finde den Ort belanglos, auch wenn er angeblich als Kulisse für über 140 Werbungen und Filme wie Mad Max II oder Priscilla, Königin der Wüste gedient haben soll. Filme über halbstarke Primaten, die sich mit lächerlichen Fahrzeugen und ständig aufheulenden Motoren durch die Wüste jagen oder Männer, die bunt gekleidet mit einem Bus durch die Wüste fahren um an einem Dragqueen-Wettbewerb teilzunehmen, stehen sowieso schon seit jeher ganz oben auf der Liste meiner Lieblingsfilme.

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Broken Hill und White Cliffs
Wir schreiben Montag, den 15. Februar, im Jahre des Herrn 2010. Eigentlich habe ich ja genug vom Staub des Outback, der ewigen Hitze und trostlosen Kulturwüstlichkeit, die sich bereits kurz hinter dem Barossa Valley erneut auszubreiten beginnt und irgendwo in die nunmehr bekannte Halbwüste übergeht.


Nicht nur trostlos, sondern auch grünlos

Ein größerer Umweg muss aber noch sein, des Silbers und der Opale wegen. Wieder führt der Weg durch viele der immer gleich aussehenden, ebenso langweilig wie tot wirkenden Ortschaften. Wieder sind die anstrengenden Fliegen da. Irgendwann befinde ich mich nach Überfahren einer Grenze im nächsten Bundesland. Dort, in ganz New South Wales (NSW), gilt wieder eine neue Zeit, die Eastern Standard Time (EST). In ganz New South Wales? Nein, ein von unbeugsamen Neusüdwalisern bevölkerter Ort hört nicht auf, gegen die Landesregierung Widerstand zu leisten. Und das Leben ist nicht leicht für Besucher dieses Landes, die man eher Zeitreisende nennen müsste.

Die Gemeinde Broken Hill hat nämlich aus Protest gegen die mangelnde Unterstützung aus Sydney nicht nur die Zeitzone von South Australia (SA) angenommen, sondern auch deren Telefonvorwahl. Ein vollständiges Überwechseln der damals sehr reichen Minenstadt nach SA konnte die Landesregierung mit Hilfe der Bundesregierung gerade noch verhindern. Während es also überall sonst in NSW mit der Eastern Standard Time 30 Minuten später ist, gilt in Broken Hill noch oder schon die südaustralische Central Standard Time. Damit wäre der Zeitzonenirrsinn auf diesem Kontinent dann wohl komplett.

Leider ist das auch schon das einzig wirklich Interessante, was es aus Broken Hill zu berichten gibt. Die Stadt wirkt zwar wie eine Miniaturausgabe von Kalgoorlie. Überall sind Abraumhalden zu sehen, nur dass der Bergbau sich hier um Silber, Blei und vor allem Zink dreht. Anders als in Kalgoorlie, pfeifen die Minen hier aber aus dem letzten Schacht, der Ort befindet sich auf dem absteigenden Ast und was das Schlimmste ist, es gibt auch keine Möglichkeiten, selbst ein wenig Silber zu schürfen.


Ehemalige Besuchermine in Broken Hill

Nun gut, dann fahre ich eben auf den Parkplatz einer Fastfood-Kette, wo man kostenlos per WiFi im Internet surfen kann, wobei deren Netzleistung nur zum Herunterladen von reinen Text-Mails ausreicht. Aber immerhin. Dann mache ich einen entscheidenden Fehler, indem ich mir denke, "ach was, jetzt gönnst Du Dir 'mal was" und mir zwei Burger zum Mittagessen kaufe. In nicht einmal fünf Minuten wandelt sich gleich der erste Bissen der vermeintlich festen Nahrung ohne Umwege direkt in den gasförmigen Aggregatzustand um. Ich hatte leider kurzzeitig verdrängt, was für ein unglaublicher Scheißfraß das bei McDonalds ist.

Nur ein kleiner, unachtsamer Moment, und ich muss diese Schwäche bitter bereuen. Denn ganzen restlichen Tag gähne ich vor mich hin, während mein Körper versucht, mit der außerirdischen Chemikalienmixtur fertig zu werden. Aber das muss man Fooddesignern von McDonalds lassen: Wie die es schaffen, gleichermaßen inhaltslose wie kalorienreiche Pappe derart schwer im Magen liegen zu lassen - chapeau! Ich muss mir wohl nochmal den Film Supersize Me anschauen, damit ich dauerhaft die Finger von diesem Müll lasse. Mit zwei Tonnen Übergewicht mache ich mich also behäbig Richtung Osten auf und hoffe, dass die Achsen des Wagens die zusätzliche Belastung aushalten.

Bald erscheint die Halbwüste links und auf der Seite vom anderen Links der Strecke in verdächtigem Grün. Tatsächlich sind sogar überschwemmte Bereiche zu sehen, an einer Stelle ist selbst der Highway überspült.


Kein' Bock auf Bildunterschrift

200 Kilometer weiter will ich dann in Wilcannia Richtung White Cliffs abbiegen. Eine Straßensperre verhindert das recht wirkungsvoll. Aber wieso ist hier eine Straßensperre? Ich hatte mich doch zuvor im Visitor Centre von Broken Hill ausgiebig über mein Reiseziel informiert und keinerlei entsprechende Information erhalten. Das ist ja eine tolle Hilfe gewesen. Bei der örtlichen Polizei erfahre ich dann leider, dass die Strecke tatsächlich immer noch unpassierbar sei. Es habe am Wochenende stark geregnet. Erst am Mittwoch früh würde die Sperre entfernt. Das kann doch nicht wahr sein! Ich müsste also zwei Nächte und einen Tag in diesem Kaff darauf warten.

Und in diesem Ort gibt es wirklich NICHTS außer der Hoffnung, schnellstmöglich wieder von hier weg zu kommen, wie mir die Tankstellenchefin erzählt. Sie habe die Schnauze voll von 50 Grad, 100 Prozent Luftfeuchtigkeit und den Leuten hier. Dabei deutet sie auf eine Narbe, die ihr ein betrunkener Aboriginal beigebracht hat. Alkohol ist ein riesiges Problem für die Ureinwohner Australiens. Nein, sie würde mit ihrem Mann nach Kanada auswandern, an einen Ort, wo das Meer in der Nähe sei und es Weihnachten richtigen Schnee gebe. Sie zähle schon die Tage.

Das könne ich gut verstehen, bedeute ich ihr, während ich meinerseits die Mücken zähle, die sich kamikazeartig auf meine Adern stürzen. Nicht eine kommt durch. Die Biester haben sich nach dem Regen in nur zwei Tagen offensichtlich explosionsartig vermehrt und sind mir Grund genug, den erwarteten Reichtum durch Opalfund gegen eine ungestörte Nachtruhe einzutauschen. Es reicht ja schon, wenn die sich nur VOR dem Mückennetz herumtreiben und dabei nervtötende Fluggeräusche machen. Also fahre ich hocherfreut wieder 200 Kilometer zurück und suche mir kurz hinter Broken Hill, aber kurz vor dem letzten Programmpunkt dieses höchst erfolgreichen 1.500-Kilometer-Abstechers im schwindenden Tageslicht einen Platz für die Nacht.

Dann liege ich so da und ärgere ich mich leider immer noch über den verpatzten Ausflug. Ich bin ja aus gutem Grund nicht in die heute weitaus bekanntere Opalhauptstadt Coober Pedy gefahren, die touristisch versaut ist und noch weniger auf meinem Weg liegt als White Cliffs am Ende der Welt, mitten im Outback. Nun werde ich nieeeee mehr die über 50.000 verlassenen Minenschächte sehen, die es dort geben soll und die Gegend in eine Mondlandschaft verwandelt haben, oder besser: In ein Land voll überdimensionierter Ameisenhügel.


Ameisenhügel. Links unten: Ameise mit Hut
flickr.com/photos/89428980@N00/193886867/

Zum Vergleich, nur in anderem Maßstab:


Echte Ameisenhügel

Bereits vor der Entdeckung des Opalfelds in Coober Pedy wurde der Boden von White Cliffs schon auf der Suche nach den wertvollen Steinchen durchwühlt. Zu besten Zeiten, um 1900, waren hier über 4.000 Glücksritter tätig. Noch heute gibt es einige aktive Claims. Wenn man beim Herumlaufen auf dem Gelände nicht in eines der ungesicherten Löcher fällt, kann man auch als Tourist in den verlassenen Buddellöchern nachschauen, ob die ehemaligen Inhaber nicht ein paar Opale übersehen haben. Tja, aus dem Abenteuer wird nun nüscht, dank Petrus. Dafür hat er mich bisher aber mit allzu extremen Wetterlagen verschont.

Allgemeine Information über den Ort gibt es unter http://www.whitecliffsopalfield.com.

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Montag, 22. Februar 2010
Das Barossa Valley
Noch einmal muss ich durch den Vorstadtmoloch Adelaides um in die dahinterliegende, weltbekannte Weinregion zu gelangen. Die ersten Siedler im Tal waren deutsche Religionsflüchtlinge, die ob der günstigen Lage damals gleich mit dem Weinanbau begannen. Weingüter mit Namen "Henschke", "Rolf Binder" oder "Kellermeister" und viele andere zeugen noch heute von den deutschen Wurzeln.


Blick von Mengler's Hill

Für jemanden, der nur schaut und keinen Wein testet, ist das Barossa Valley aber nicht gerade aufregend. Der Alleinreisende empfindet einerseits Gaumenleid und freut sich andererseits für seine Leber.

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Kangaroo Island
Kurz vor Goolwa weht plötzlich wieder frische Luft zum Autofenster herein - ein Vorbote des Meeres. Herrlich. Vom nahegelegenen Hindmarsh Island lässt sich die Mündung des Murray River beobachten, Australiens größten Flusses. Ein schöner Landstrich, der stark an die Nordseeinseln erinnert.


Murray River Mouth

Bis heute entnehmen vor allem die Landwirte dem Fluss dermaßen viel Wasser um Äcker zu bestellen, wo naturgemäß vorher nur Halbwüste war, dass die Mündung des entsprechend geschwächten Stromes vollständig zu versanden droht, wenn sie nicht für sechs Millionen Dollar jährlich freigebuddelt wird. Da freut es den australischen Steuerzahler, wenn er mal wieder für anderer Leute Ignoranz aufkommen darf.

Am Fährterminal in Cape Jervis angekommen, erfahre ich als Erstes, dass das Mitnehmen von Füchsen auf die Insel verboten ist. Also, das ist jetzt wirklich ärgerlich. Selbst die kleinen Taschenfüchse nicht, die ich mir gerade zugelegt habe? Nein, auch die nicht. Und wo, bitteschön, soll ich die solang lassen?

Ob denn wenigstens für die unteren Chargen von Verbindungen Ausnahmen gemacht würden, wird erst gar nicht verstanden.

Um Viertel vor Ölf erreicht die Fähre Penneshaw auf Kangaroo Island. Der Regen vom Festland ist auch schon da. Das ist zwar schlecht für Fotos, aber wunderbar für die vom ewigen Sonnenlicht gestressten Augen. Außerdem kann ich den Wagen einfach irgendwo abstellen, ohne Schatten suchen zu müssen, damit die Lebensmittel in meiner großartigen Kühlbox nicht zu kochen anfangen.

Im Visitor Centre erfahre ich, dass die hiesigen Pinguinprogramme leider ausfallen, weil die vom 1. bis zum 21. Februar nicht stattfinden. Toll. Dafür seien die Schotterstraßen auf der Insel trotz des Regens befahrbar. Das ist immerhin gut, denn oft werden gravel roads nach Regen unpassierbar. Also mache ich mich zum Cape Willoughby auf, um an der 14-Uhr-Führung durch den dortigen Leuchtturm teilzunehmen. Unterwegs sehe ich auf der ausgesprochen miesen Piste nichts, außer Schlaglöchern. Und selbst die sehe ich nicht.

Glücklicherweise komme ich ohne weiteren Platten zum Ziel. Dort wartet in der Garderobe ein treues Ross noch immer auf seinen Herrn, der es dort vor graumer Zeit abgestellt hatte. Als einziger Besucher bekomme ich eine Privatführung von der fröhlichen "Leuchtturmwärterin", die natürlich in Wirklichkeit keine ist.











Ross ohne Reiter

Damit die eher ungewöhnliche Form des Leuchtturms keinesfalls zu erkennen ist, habe ich das folgende Foto hochgeladen:


Cape Willoughby Lighthouse

Das hilft vielleicht, gewisse leuchttürmliche Ermüdungserscheinungen bei der Leserschaft zu verhindern, denn es kommen noch mehr. Apropos, Ermüdungserscheinungen habe ich am Ende des Tages auch. Immerhin hat es nachmittags aufgehört zu regnen und so kann ich beim Einschlafen ungestört noch ein wenig Radio hören.

Mitten im Dahindämmern, gerate ich um 22.15 Uhr ein Stück weit in Aufruhr, denn jemand versucht, die Heckklappe zu öffnen. Ich greife hektisch zur Taschenlampe und leuchte aus dem Wagen, jederzeit darauf gefasst, mit dem Lichtkegel auf die entstellte Fratze eines inzestuösen Inselbewohners zu treffen, der Touristenfleisch für sein täglich Süpplein braucht.

Nichts zu sehen. Taschenlampe aus. Jetzt versucht es der Kerl an der Beifahrertür. Ein Glück, dass ich heute mal alles verschlossen habe. Unterdessen schütte ich mehr Adrenalin aus, als es an einem normalen Geschäftstag am Bahnhof Zoo zu kaufen gibt. Wieder leuchte ich aus dem Wagen, wieder geht der Schein ins Leere. Endlich überwinde ich den Muskelkrampf, um das Radio auszustellen und in die Dunkelheit zu lauschen.

Da! Erst auf der Motorhaube und jetzt auf dem Dach. Ich höre Schritte. Jetzt gibt es kein Vertun mehr, dass es vielleicht nur Windböen waren, da ist jemand, ganz eindeutig!

Allerdings ganz schön leichtfüßig der Kerl, wie er da auf dem Autodach herumläuft. Hin und wieder finden seine Krallen keinen Halt auf dem glatten Metall, dann gibt es ein Geräusch wie bei Hunden, die versuchen auf Fliesenboden loszurennen. Hm. Langsam kehrt Farbe in mein Gesicht zurück, in der dahinter liegenden Masse macht sich Neugier breit. Kühn öffne ich eine Autotür und hangele mich aus dem Wagen, ohne dabei den Boden zu betreten, denn auch noch auf die hiesigen tiger snakes zu achten, habe ich jetzt keinen Zeit. Für den ehemaligen Meister des "Nicht-den-Boden-berühren-Spiels" ist es natürlich keine besondere Herausforderung zu hangeln, nicht den Boden zu betreten und gleichzeitig die Taschenlampe zu bedienen.

Dann erfasst der Lichtstrahl den Übeltäter, der mich mit blutunterlaufenen Augen und gefletschten Reißzähnen fixiert. Ein wahrhaft grausiger Anblick. Doch das possum, auf Deutsch Fuchskusu, hat bald genug von der plötzlichen Helligkeit, klettert gemächlich über Windschutzscheibe und Motorhaube vom Wagen und verdrückt sich ohne Eile ins nahe Gebüsch.


3. Akt, letzte Szene: Fuchskusu tritt ab.

Photographisch war zu dem Zeitpunkt leider nicht mehr drin. Die Beulen waren schon vorher da. Wer wissen will, wie die etwa katzengroße Bestie von vorn aussieht, der schaue beispielsweise hier: http://en.wikipedia.org/wiki/Common_brushtail_possum

Kann mir mal jemand sagen, was das verdammte Vieh an Heckklappe und Wagentür wollte und dann eine geschlagene Viertelstunde auf dem Dach gesucht hat? Das gibt es doch nicht, sowas! Ich bekomme einen hysterischen Lachanfall, verschließe den Wagen und mache mich erneut an die harte Arbeit des Einschlafens.

Anderntags ist es zwar noch bewölkt, aber der Regen scheint verschwunden. Jetzt ist zu erkennen, dass die Insel landschaftlich nichts Besonderes ist sondern eher mit Leuchttürmen und Tierwelt punktet. Auch mit Fuchskusus . Grrrr. Selbstverständlich gibt es aber auch schöne Ecken.


Schöne Ecke

Etwas Besonderes ist die 12.30-Uhr-Führung am Cape Borda Lighthouse. Nicht nur, weil Tourguide Mike höchste Anforderungen an meine Fremdsprachenkenntnisse stellt, indem er konstant 12 Worte pro Sekunde ausstößt und damit meinen Arbeitsspeicher zu überlasten droht. Glücklicherweise geht es bei der Führung weniger um technische Details, als um das harte Leben damaliger Leuchtturmwärter.

Die Tour endet schließlich mit dem berühmten 13-Uhr-Kanonenschuss. In früherer Zeit diente dieser, exakt nach Zeitzeichen aus Adelaide abgegeben, der Seeschifffahrt zur Abgleichung ihrer Chronometer. Für viele von Westen kommende Schiffe war hier der erste Landfall seit Afrika. Bei den rauhen Überfahrten konnten die alten Uhren schon einmal etwas aus dem Takt geraten. Bis heute ist die genaue Uhrzeit von höchster Wichtigkeit für die Navigation. Mittlerweile dient die Kanone aber nur noch dazu, chinesische Touristenwecker auf 13.07 Uhr zu eichen.


Punkt 13.07 Uhr

An der Südküste sind die Remarkable Rocks tatsächlich bemerkenswert, insbesondere aber durch ihre exponierte Lage. Ähnliche, durch Wettereinflüsse geformte Steine gab es sonst ja bereits andernorts zu sehen.


Bloody Tourist an Felsformation

Und weil er gar so schön ist, kommt hier, wie angedroht, noch ein Leuchtturmfoto, diesmal vom Cape Couedic.


Cape Couedic Lighthouse

Dort befindet sich auch der Admirals Arch, eine unterspülte, steinerne Brücke. Ringsherum leben unzählige der neuseeländischen Seebären. Wenn auch weniger privat, lassen sich die Tiere hier sogar noch besser beobachten, als die Seelöwen am Point Labatt. Vom ihrem Verhalten her erkenne ich keine Unterschiede zwischen den Spezies: Die Seebären balgen sich genauso wie die Seelöwen und legen im Anschluss ebenso angemessene Verschnaufpausen ein. Zum Piepen!


Seebären bei ihren üblichen Verrichtungen

In der Seal Bay, der Seebären-Bucht, lebt wiederum eine Kolonie Sealions, vermutlich, weil die nicht lesen können. Im Unterschied zu ihren Kollegen, liegen die Seelöwen hier überwiegend am Sandstrand herum, denn es gibt nur wenig Felsen. Deshalb haben sie, abgesehen von den üblichen Kloppereien, etwas andere Spiele entwickelt. In den ungehindert an den Strand rollenden Wellen können die Seelöwen prima bodysurfen oder sie legen sich zur Abwechslung mitten in die Brandung und lassen sich von dieser hin- und herrollen wie ein gestrandetes Stück Treibgut. Ein drolliger Anblick.


Extrembrandungsrolling

Weniger drollig ist dagegen der Anblick der ekligen Menschenmassen, die sich hier für die Führungen anstellen. Wie muss das erst in der Hauptsaison sein? Schröcklich, erzählt mir eine der Mitarbeiterinnen. Schnell mache ich mich vom Acker, bevor ich von den Busladungen widerlicher Touristen Augenherpes bekomme. Das wird belohnt: Unterwegs sehe ich einen lebensmüden Ameisenigel beim Überqueren der Straße. Im angrenzenden Gebüsch spreche ich ihn auf sein Problem an, doch er verzieht sich wortlos und unerreichbar ins immer dichtere Gestrüpp.


Echidna oder Ameisenigel

Dann muss er eben allein sehen, wie mir seinem Leben fertig wird. Also fahre ich weiter bis zum Hafen, wo morgen früh meine Fähre zum Festland ablegt, und bereite mir ein köstliches Abendmahl. Heute gibt es Tütensuppe. Am Ende des Tages ist das Wetter sogar wieder so schön geworden, dass man bis zum Festland herüberblicken kann.


Rückblick

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Dienstag, 16. Februar 2010
Adelaide
Na gut. Aber über Adelaide gibt es wirklich nicht viel zu berichten. Irgendwo habe ich eine Thermometer gesehen, das 45 Grad anzeigt. Kaum zu glauben, aber es fühlt sich in jedem Falle so an. Die Luft steht und hat circa 100 Prozent Luftfeuchtigkeit. Um 17 Uhr sind es laut Radio immer noch 38 Grad. Unerträglich. Derzeit ist Adelaide die wärmste Metropole ganz Australiens, was nicht normal ist. Die Anderthalb-Millionen-Einwohner-Stadt selbst ist eher uninteressant und architektonisch beliebig.


Downtown Adelaide

Dazu wieder die üblichen und schier endlosen, monotonen Vororte. Zugegebenermaßen muss man für gewisse kulturelle Details vielleicht länger bleiben, als nur einen Tag. Optisch verspricht jedenfalls einzig die schöne Oase des botanischen Gartens etwas Abwechslung in der großstädtischen Tristesse. Täglich bis zum Sonnenuntergang geöffnet, schließt dieser natürlich bereits um 18.30 Uhr.


Adelaide Botanic Garden

Okay, das Foto war gemein. Zur geringfügigen Entlastung der Stadt hier etwas Schöneres:


Schöner.

Immerhin gehört zu Adelaide eine kilometerlange ocean front mit Stränden in Sonnenuntergangsausrichtung. Wirklich toll wäre die allerdings erst, wenn man die meist hässlichen Häuser dort abrisse und durch gefälligere ersetzte.

Dann habe ich Glück und erkenne noch rechtzeitig einen (irreparablen) Platten. Reifenwerkstätten gibt es hier ja wie Sand am Meer. Was in der Walachei unter Umständen Tage hätte dauern können, ist am Stadtrand in nur 20 Minuten erledigt.

Mit zwei neuen Reifen entkomme ich endlich dem perversen Stadtklima und fahre durch die toskanisch anmutenden Adelaide Hills Richtung Süden. Es ist auffällig, dass hier viele Nebenerwerbslandwirte versuchen, ihre Scheiße loszuwerden. Überall preisen Schilder Horse Poo, Chicken Poo oder Pigeon Poo für wenige Dollar an. Ich hatte mich bereits für ein großes Exportgebinde Taubenscheiße entschieden, in deutschen Städten herrscht ja bekanntermaßen starke Nachfrage. Letztlich ist das Projekt aber an der mangelnden Ladekapazität meines Fahrzeugs gescheitert.

Weil es nur wenige Kilometer Umweg sind, kann ich mir einen Abstecher nach Hahndorf nicht verkneifen. Dort "glaubt man sich plötzlich mitten in einem deutschen Themenpark", schwelgt Lonely Planet. Ja, vielleicht in einem us-amerikanischen, denn Hahndorf wirkt in etwa so deutsch, wie Bill Clinton keinen Sex mit der dicken Praktikantin hatte.

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