Donnerstag, 31. Dezember 2009
Tag 15
cia, 05:46h
GUTEN RUTSCH INS JAHR 2010!!!
Sylvester Stillleben
Der Festschmaus ist schon vorbereitet. Das wird heut' eine Mordsgaudi, jipppiiiieeee.
Doch zunächst einmal wache ich ganz ohne kakadutypisches Gezeter auf. Heute waren sich wohl ausnahmsweise alle einig über den Tagesablauf. Zur Abwechslung begrüßt mich statt dessen ein Fühlerpaar, das sich gemächlich auf und ab bewegt. Zu den Fühlern gehört eine eklig glänzende Monsterkakerlake die auch gleich begrüße, und zwar mit einem Schuh. Leider ist das liderliche Vieh gerissen und hängt unerreichbar unter der hohen Zimmerdecke. So braucht es viel zu viele Versuche, bis Gottes Geschöpf endlich bei Satan angekommen ist. Ohne Gewissensbisse habe ich das Tier auf dem Altar meiner Nachtruhe geopfert und dem Herrn sei's gepriesen, dass daraus keine Paranoia entstanden ist.
Überall sonst wäre ich durchgedreht. Hier bin ich nur froh, dass es kein Giftgetier war und ertrage die Tatsache, dass weitere Kollegen der Kakerlake in meiner Matratze hausen oder sich wenigstens unter dem riesigen Türschlitz hindurch in meine Kammer schleichen könnten, mit erstaunlicher Gelassenheit.
Da die Kantenschneiderei im Garten zwischenzeitlich beendet war, hatte ich schon vor Weihnachten einen neuen Auftrag bekommen, der mich sicherlich einige Wochen beschäftigen wird: Ich soll rings um das Klostergebäude Spinnweben und Schwalbenguano entfernen, den die eifrig unter den Verandadächern nistenden Piepmätze produzieren. Kurz: Ich mache jetzt in Scheiße. Mit Staubwedel, Besen und Schrubber bewaffnet, ziehe ich seit Tagen bereits um das Gemäuer und lerne die Spinnen das Fürchten. Manchmal ist es aber auch andersherum, wenn ich unverhofft eine der Rotrückenspinnen aufscheuche. Unheimlich, die handtellergroßen Achtbeinerinnen, tiefschwarz, über und über behaart und mit einem rötlichen Streifen auf dem üppigen Hinterteil, jederzeit bereit zum tödlichen Sprung an des Störenfrieds Kehle, wo sie ihre etwa fünf Zentimeter langen Giftzähne in den schutzlosen Hals rammen und das Opfer binnen zwei Minuten vollständig aussaugen.
Redback Spider - da trau' ich mich nur von hinten 'ran
Wenn man den Umstand des Scheißeschrubbens und der allgegenwärtigen Gefahr von Spinnenattacken außer Acht lässt, ist diese Arbeit sogar recht meditativ und lässt genug Raum für das Umherscheifen von Gedanken:
Dem Leben als Mönch kann ich durchaus etwas abgewinnen. Die Kleidung zum Beispiel. Hier gibt es im Sommer die weiße, im Winter die schwarze Kutte. Fertig. Sonst muss ich mir täglich auf's Neue überlegen, welches von den rosafarbenen T-Shirts ich anziehen soll. Dann gibt es regelmäßiges Essen zu festen Zeiten, um dessen Zubereitung oder gar vorbereitende Einkäufe sich die Mönche heutzutage nicht mehr kümmern müssen. Auch der sonstige Tag bietet keine verwirrende Variablen sondern ist präzise in Arbeitszeit und Gebete aufgeteilt. Das Leben als Neutrum wäre mir, Termite die ich bin, mittlerweile auch egal.
Andererseits hat das Klosterleben durchaus auch Nachteile. Insbesondere sind hier die immergleiche Kleidung, das routinöse Essen, der klar geregelte Tagesablauf und der Zölibat zu nennen. An das Hochgeschwindigkeitsessen habe ich mich mittlerweile zwar einigermaßen gewöhnt. Aber ich musste mich zumindestens in New Norcia von meiner romantischen Vorstellung klösterlichen Lebens verabschieden, wo gemütliche Mönche, fern von weltlichen Nervereien, mit einem Psalm auf den Lippen geruhsam ihrer täglichen Arbeit nachgehen, beispielsweise im Kräutergarten, zwischendurch auf der Bank ein Selbstgebrautes schlürfen und gelegentlich ein Schwätzchen halten.
Von Geruhsamkeit keine Spur. Nach dem Essen verschwinden die Mönche normalerweise wieder so schnell in irgendwelche Ecken der Anlage, aus denen sie zuvor erschienen waren. Für mich bleibt daher keine Gelegenheit, einen mal etwas intensiver auszufragen. In besten Zeiten gehörten fast 70 Mönche zum Kloster, heute sind es gerade noch neun, von denen vier auch noch dauerhaft außerhalb zu Gange sind. Bleiben nur noch Fünnef vor Ort. Die Arbeit, die früher die Mönche selbst erledigten, übernehmen heute 73 Angestellte. Der ganze Laden wird als Incorporated geführt, deren aktive Anteilseigner die Mönche sind und sie entsprechend mit weltlichen Problemen belastet. Nein, so wird dann doch kein Mönch aus mir.
Nachdem nun die Arbeit für heute getan ist, hänge ich noch etwas herum und verbringe den Sylvesterabend in Gesellschaft von Mr. Pommeroy, Sir Toby, Admiral von Schneider und Mr. Winterbottom mit Patiencen-Legen. Im Computer zwar, aber es bleiben Patiencen. Ich fühle mich also nicht nur wie 90, ich verhalte mich auch schon so - denke ich mir und mache um halb Zehn das Licht aus. Wahnsinn, jetzt bin ich schon 80 Tage in Australien und bereits zwei Wochen im Kloster, schießt es mir noch durch den Kopf, bevor ich in das Land der Träume hinübergleite.
Sylvester Stillleben
Der Festschmaus ist schon vorbereitet. Das wird heut' eine Mordsgaudi, jipppiiiieeee.
Doch zunächst einmal wache ich ganz ohne kakadutypisches Gezeter auf. Heute waren sich wohl ausnahmsweise alle einig über den Tagesablauf. Zur Abwechslung begrüßt mich statt dessen ein Fühlerpaar, das sich gemächlich auf und ab bewegt. Zu den Fühlern gehört eine eklig glänzende Monsterkakerlake die auch gleich begrüße, und zwar mit einem Schuh. Leider ist das liderliche Vieh gerissen und hängt unerreichbar unter der hohen Zimmerdecke. So braucht es viel zu viele Versuche, bis Gottes Geschöpf endlich bei Satan angekommen ist. Ohne Gewissensbisse habe ich das Tier auf dem Altar meiner Nachtruhe geopfert und dem Herrn sei's gepriesen, dass daraus keine Paranoia entstanden ist.
Überall sonst wäre ich durchgedreht. Hier bin ich nur froh, dass es kein Giftgetier war und ertrage die Tatsache, dass weitere Kollegen der Kakerlake in meiner Matratze hausen oder sich wenigstens unter dem riesigen Türschlitz hindurch in meine Kammer schleichen könnten, mit erstaunlicher Gelassenheit.
Da die Kantenschneiderei im Garten zwischenzeitlich beendet war, hatte ich schon vor Weihnachten einen neuen Auftrag bekommen, der mich sicherlich einige Wochen beschäftigen wird: Ich soll rings um das Klostergebäude Spinnweben und Schwalbenguano entfernen, den die eifrig unter den Verandadächern nistenden Piepmätze produzieren. Kurz: Ich mache jetzt in Scheiße. Mit Staubwedel, Besen und Schrubber bewaffnet, ziehe ich seit Tagen bereits um das Gemäuer und lerne die Spinnen das Fürchten. Manchmal ist es aber auch andersherum, wenn ich unverhofft eine der Rotrückenspinnen aufscheuche. Unheimlich, die handtellergroßen Achtbeinerinnen, tiefschwarz, über und über behaart und mit einem rötlichen Streifen auf dem üppigen Hinterteil, jederzeit bereit zum tödlichen Sprung an des Störenfrieds Kehle, wo sie ihre etwa fünf Zentimeter langen Giftzähne in den schutzlosen Hals rammen und das Opfer binnen zwei Minuten vollständig aussaugen.
Redback Spider - da trau' ich mich nur von hinten 'ran
Wenn man den Umstand des Scheißeschrubbens und der allgegenwärtigen Gefahr von Spinnenattacken außer Acht lässt, ist diese Arbeit sogar recht meditativ und lässt genug Raum für das Umherscheifen von Gedanken:
Dem Leben als Mönch kann ich durchaus etwas abgewinnen. Die Kleidung zum Beispiel. Hier gibt es im Sommer die weiße, im Winter die schwarze Kutte. Fertig. Sonst muss ich mir täglich auf's Neue überlegen, welches von den rosafarbenen T-Shirts ich anziehen soll. Dann gibt es regelmäßiges Essen zu festen Zeiten, um dessen Zubereitung oder gar vorbereitende Einkäufe sich die Mönche heutzutage nicht mehr kümmern müssen. Auch der sonstige Tag bietet keine verwirrende Variablen sondern ist präzise in Arbeitszeit und Gebete aufgeteilt. Das Leben als Neutrum wäre mir, Termite die ich bin, mittlerweile auch egal.
Andererseits hat das Klosterleben durchaus auch Nachteile. Insbesondere sind hier die immergleiche Kleidung, das routinöse Essen, der klar geregelte Tagesablauf und der Zölibat zu nennen. An das Hochgeschwindigkeitsessen habe ich mich mittlerweile zwar einigermaßen gewöhnt. Aber ich musste mich zumindestens in New Norcia von meiner romantischen Vorstellung klösterlichen Lebens verabschieden, wo gemütliche Mönche, fern von weltlichen Nervereien, mit einem Psalm auf den Lippen geruhsam ihrer täglichen Arbeit nachgehen, beispielsweise im Kräutergarten, zwischendurch auf der Bank ein Selbstgebrautes schlürfen und gelegentlich ein Schwätzchen halten.
Von Geruhsamkeit keine Spur. Nach dem Essen verschwinden die Mönche normalerweise wieder so schnell in irgendwelche Ecken der Anlage, aus denen sie zuvor erschienen waren. Für mich bleibt daher keine Gelegenheit, einen mal etwas intensiver auszufragen. In besten Zeiten gehörten fast 70 Mönche zum Kloster, heute sind es gerade noch neun, von denen vier auch noch dauerhaft außerhalb zu Gange sind. Bleiben nur noch Fünnef vor Ort. Die Arbeit, die früher die Mönche selbst erledigten, übernehmen heute 73 Angestellte. Der ganze Laden wird als Incorporated geführt, deren aktive Anteilseigner die Mönche sind und sie entsprechend mit weltlichen Problemen belastet. Nein, so wird dann doch kein Mönch aus mir.
Nachdem nun die Arbeit für heute getan ist, hänge ich noch etwas herum und verbringe den Sylvesterabend in Gesellschaft von Mr. Pommeroy, Sir Toby, Admiral von Schneider und Mr. Winterbottom mit Patiencen-Legen. Im Computer zwar, aber es bleiben Patiencen. Ich fühle mich also nicht nur wie 90, ich verhalte mich auch schon so - denke ich mir und mache um halb Zehn das Licht aus. Wahnsinn, jetzt bin ich schon 80 Tage in Australien und bereits zwei Wochen im Kloster, schießt es mir noch durch den Kopf, bevor ich in das Land der Träume hinübergleite.
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Dienstag, 29. Dezember 2009
Tag 9
cia, 05:05h
Nee, Freitag, 25. Dezember 2009. Wie jeden Morgen wache ich auch heute nicht freiwillig um viertel vor Fünf auf. Sowieso von Alpträumen gebeutelt, geben mir geflügelte Heerscharen der Hölle jetzt den Rest. Wie jeden Morgen erwachen nämlich mit dem ersten Tageslicht hunderte von Kakadus in den zu nahen Bäumen und beginnen lautstark das Programm des Tages zu diskutieren.
Oft herrscht Uneinigkeit darüber, ob sie zuerst einen Acker heimsuchen und später einen Patroullienflug entlang der Reviergrenzen machen sollen, oder umgekehrt. Dabei geben sie leider alles andere als schönen Gesang von sich, sondern vielmehr ohrenbetäubendes Gekrächze. Beispielsweise bemerkt Einer, sie könnten mal wieder diesen weißen Kombi, der da schon über eine Woche herumsteht, zu Übungszwecken für's Zielkacken nutzen. Das sei doch ein alter Hut, wirft der Nächste ein, man solle sich langsam mal neue Ziele ausdenken. Ein Anderer korrigiert, der Wagen sei sowieso schon lang nicht mehr weiß. Ein Weiterer schlägt vor, weil der Fahrer des Wagens die Fenster leichtsinnigerweise einen Spalt breit offen gelassen habe, ob man sich nicht vielleicht auf diese etwas anspruchsvollere Aufgabe stürzen wolle.
So geht das gut und gern eine Stunde lang und strapaziert meine Tierliebe bis auf das Äußerste. Bisweilen kochen die erhitzten Gemüter gar über und es entsteht solcher Aufruhr, dass Fenster zu bersten drohen. Am Abend geht das Theater übrigens wieder von vorn los, wenn die Kakadus ihren Tag mit einem Abschlussgespräch analysieren.
Nachdem ich nun also wach bin, muss ich erstmal die traumatisierende Vorabendveranstaltung verarbeiten. Mehr für die Mönche als für mich bin ich gestern Abend zur Spätvorstellung der vermutlich menschenleeren Weihnachtsmesse in die Abbey Church gegangen. Das wäre gar nicht nötig gewesen, denn mit etwa 50 Leuten war die halbe Gemeinde hier versammelt. Die Veranstaltung plätscherte sogar für einen Unkatholen ganz angenehm dahin, als ich leider, gerade in Gedanken die weitere Reiseroute durchgehend, vom Satzfetzen "... and now let us show each other a sign of peace" in die harte Realität zurückgeholt wurde. Mein Frühwarnsystem hat erneut wie 'ne Eins funktioniert, denn plötzlich gerieten die wildfremden Kirchgänger in Bewegung um sich gegenseitig die Hände zu reichen. Auch mir. Da war für mich der Ofen schon wieder aus - da setzt man sich extra in die letzte Reihe und wird trotzdem vom Animateur zum Mitmachen genötigt.
Aber es gab kein Entrinnen, ohne dass ich einen Eklat provoziert hätte. Es hat ja schon gereicht, dass ich kein Geld für den Klingelbeutel dabei hatte. Glücklicherweise blieb es bei diesem Grenzübertritt. Nach gut einer Stunde war das Spektakel vorbei und ich fiel kurz darauf erschöpft ins Bett. Von Weihnachtsstimmung aber keine Spur. Kaltes Wetter und frühe Abende sind einfach Grundvoraussetzung für des Mitteleuropäers weihnachtliches Gemütlichkeitsempfinden.
Den weiteren Vormittag verbringe ich ansonsten mit extrem weihnachtlichem Aroundhanging, als es gegen 11 Uhr an meiner Tür klopft. Maria hilf, sie kommen mich holen! Ich zucke erschrocken zusammen und wähne mich bereits im Raumschiff der Wahnsinnigen an sinistre Maschinen angeschlossen. Füße, Hände und Kopf in einer Sitzapparatur fixiert, laufen aus sämtlichen Körperöffnungen spiralförmige Kabel zu einem Aparillo, wo der Bewegungsstöhner gerade dabei ist, mich unter elendigem Geschnaufe an die Kontakte anzuschließen. Noch vor den eigentlichen Versuchen machen sich spinnenartige OP-Roboter daran, mit Löffel und Gabel meine Augäpfel aus ihren Höhlen zu schälen, so dass sie nur noch vom Sehnerv gehalten aus meinem Schädel hängen. Weiß der Teufel wozu das gut sein soll, aber es sehe einfach klasse aus, erklärt mir eine der hageren alten Schachteln in ihrem geblümten OP-Kittel.
Am Ende siegt wider alle Vernunft die Neugier und ich öffne todesmutig die Pforte zu meiner Kammer. Gebenedeiht sei der heilige Okolythos, es ist nur Dom Christopher! Höflich übersieht er den Standventilator, den ich zu meiner Verteidigung schlagfertig in den Händen halte und lädt mich zur Feier des Tages auf einen Umtrunk in die so genannte Lounge des Guesthouses ein, denn die Australier feiern erst heute Weihnachten. Das ist toll, so darf ich mich gleich noch einmal beim Weihnachtsmann anstellen. Und nach dem Schreck in der Morgenstunde kann ich jetzt einen ordentlichen Schluck vertragen.
Tatsächlich haben die Geistlichen hochgeistige Spiritualiosien in der Lounge aufgefahren, wo schon alle Mönche und Postulanten, Volontäre, Organistin und Köchin sowie weitere Gäste versammelt sind. Während ich meinen Kelch mit der gebotenen Demut bis zum Rand mit Whisky fülle, platzen bereits die ersten Knallbonbons und geben luschtigen Plastiknippes nebst papyresken Krönchen frei, die sich selbst die ehrwürdigsten unter den Mönchen nicht zieren aufzusetzen.
Weihnachtsfeier in der Lounge des Guesthouses
Zu allem Überfluss gibt es tatsächlich eine Bescherung. Ich bekomme ein Buch mit Kurzgeschichten australischer Autoren geschenkt. Das is' man ganz ein feinen Zuch von die Mönche. Wie es der Zufall so will, handelt gleich die erste Geschichte von einer Mutter im Outback, die die ganze Nacht wachbleibt, um ihre Kinder vor einer Schlange im Haus zu beschützen.
Ein Gast-Ehepaar ist dermaßen beglückt, an all dem teilnehmen zu dürfen, dass es schon fast weh tut: "Oh, it's an honour, it's an honour", betont Muddi voll unterwürfiger Freude. Mein Gott, wenn die wüsste, dass sogar solche Leute wie ich hier sein dürfen, dann würde sie das vielleicht etwas entspannter sehen.
Um 12.15 Uhr ist es wieder Zeit zum Mittagessen, wobei ich den Whisky erst einmal mit Rotwein verdünne. Doch im Anschluss geht das Weihnachtsgelage fröhlich weiter. Die Stimmung ist entsprechend ausgelassen. Zwei Stunden später bin ich schön abgefüllt und ziehe mich bei gefühlten 100 Grad Außentemperatur plus Windstille in meine Bude zurück.
Zum Abendessen veranstaltet der innerste klerikale Zirkel, also wirklich nur die Mönche und Postulanten, ein Barbeque in legerem Outfit mit Shorts und T-Shirts. Selbst daran lassen sie mich teilnehmen und gelegentlich durchaus weltliche Äußerungen aufschnappen. Immer noch komplett matschig, halte ich mich jetzt aber lieber an Softdrinks. Mit Einbruch der Dunkelheit ist dann auch hier Feierabend.
Und schon ist Weihnachten vorbei. Es hat gar nicht weh getan.
Am zweiten Weihnachtsfeiertag gilt bereits wieder business as usual. Den Tag verbringe ich mit Fotos sortieren, etwas Buchhaltung und gepflegtem Herumhängen. Zum Schreiben fehlt mir der Antrieb. Der erste Abschnitt des blogs ist auch noch nicht fertig und die holde Leserschaft sitzt mir unentwegt im Nacken wie die Heilige Inquisition. Zur Entspannung gehe ich mich erst einmal im Swimmingpool abkühlen. Niemand sonst ist da - herrlich.
New Norcia Pool
Und morgen ist noch ein Tag frei, weil Sonntag ist. Entsetzlich, dieses Nichtstun. Da freue ich mich doch allen Ernstes schon wieder auf die Arbeit. Irgendetwas stimmt nicht mit mir.
Oft herrscht Uneinigkeit darüber, ob sie zuerst einen Acker heimsuchen und später einen Patroullienflug entlang der Reviergrenzen machen sollen, oder umgekehrt. Dabei geben sie leider alles andere als schönen Gesang von sich, sondern vielmehr ohrenbetäubendes Gekrächze. Beispielsweise bemerkt Einer, sie könnten mal wieder diesen weißen Kombi, der da schon über eine Woche herumsteht, zu Übungszwecken für's Zielkacken nutzen. Das sei doch ein alter Hut, wirft der Nächste ein, man solle sich langsam mal neue Ziele ausdenken. Ein Anderer korrigiert, der Wagen sei sowieso schon lang nicht mehr weiß. Ein Weiterer schlägt vor, weil der Fahrer des Wagens die Fenster leichtsinnigerweise einen Spalt breit offen gelassen habe, ob man sich nicht vielleicht auf diese etwas anspruchsvollere Aufgabe stürzen wolle.
So geht das gut und gern eine Stunde lang und strapaziert meine Tierliebe bis auf das Äußerste. Bisweilen kochen die erhitzten Gemüter gar über und es entsteht solcher Aufruhr, dass Fenster zu bersten drohen. Am Abend geht das Theater übrigens wieder von vorn los, wenn die Kakadus ihren Tag mit einem Abschlussgespräch analysieren.
Nachdem ich nun also wach bin, muss ich erstmal die traumatisierende Vorabendveranstaltung verarbeiten. Mehr für die Mönche als für mich bin ich gestern Abend zur Spätvorstellung der vermutlich menschenleeren Weihnachtsmesse in die Abbey Church gegangen. Das wäre gar nicht nötig gewesen, denn mit etwa 50 Leuten war die halbe Gemeinde hier versammelt. Die Veranstaltung plätscherte sogar für einen Unkatholen ganz angenehm dahin, als ich leider, gerade in Gedanken die weitere Reiseroute durchgehend, vom Satzfetzen "... and now let us show each other a sign of peace" in die harte Realität zurückgeholt wurde. Mein Frühwarnsystem hat erneut wie 'ne Eins funktioniert, denn plötzlich gerieten die wildfremden Kirchgänger in Bewegung um sich gegenseitig die Hände zu reichen. Auch mir. Da war für mich der Ofen schon wieder aus - da setzt man sich extra in die letzte Reihe und wird trotzdem vom Animateur zum Mitmachen genötigt.
Aber es gab kein Entrinnen, ohne dass ich einen Eklat provoziert hätte. Es hat ja schon gereicht, dass ich kein Geld für den Klingelbeutel dabei hatte. Glücklicherweise blieb es bei diesem Grenzübertritt. Nach gut einer Stunde war das Spektakel vorbei und ich fiel kurz darauf erschöpft ins Bett. Von Weihnachtsstimmung aber keine Spur. Kaltes Wetter und frühe Abende sind einfach Grundvoraussetzung für des Mitteleuropäers weihnachtliches Gemütlichkeitsempfinden.
Den weiteren Vormittag verbringe ich ansonsten mit extrem weihnachtlichem Aroundhanging, als es gegen 11 Uhr an meiner Tür klopft. Maria hilf, sie kommen mich holen! Ich zucke erschrocken zusammen und wähne mich bereits im Raumschiff der Wahnsinnigen an sinistre Maschinen angeschlossen. Füße, Hände und Kopf in einer Sitzapparatur fixiert, laufen aus sämtlichen Körperöffnungen spiralförmige Kabel zu einem Aparillo, wo der Bewegungsstöhner gerade dabei ist, mich unter elendigem Geschnaufe an die Kontakte anzuschließen. Noch vor den eigentlichen Versuchen machen sich spinnenartige OP-Roboter daran, mit Löffel und Gabel meine Augäpfel aus ihren Höhlen zu schälen, so dass sie nur noch vom Sehnerv gehalten aus meinem Schädel hängen. Weiß der Teufel wozu das gut sein soll, aber es sehe einfach klasse aus, erklärt mir eine der hageren alten Schachteln in ihrem geblümten OP-Kittel.
Am Ende siegt wider alle Vernunft die Neugier und ich öffne todesmutig die Pforte zu meiner Kammer. Gebenedeiht sei der heilige Okolythos, es ist nur Dom Christopher! Höflich übersieht er den Standventilator, den ich zu meiner Verteidigung schlagfertig in den Händen halte und lädt mich zur Feier des Tages auf einen Umtrunk in die so genannte Lounge des Guesthouses ein, denn die Australier feiern erst heute Weihnachten. Das ist toll, so darf ich mich gleich noch einmal beim Weihnachtsmann anstellen. Und nach dem Schreck in der Morgenstunde kann ich jetzt einen ordentlichen Schluck vertragen.
Tatsächlich haben die Geistlichen hochgeistige Spiritualiosien in der Lounge aufgefahren, wo schon alle Mönche und Postulanten, Volontäre, Organistin und Köchin sowie weitere Gäste versammelt sind. Während ich meinen Kelch mit der gebotenen Demut bis zum Rand mit Whisky fülle, platzen bereits die ersten Knallbonbons und geben luschtigen Plastiknippes nebst papyresken Krönchen frei, die sich selbst die ehrwürdigsten unter den Mönchen nicht zieren aufzusetzen.
Weihnachtsfeier in der Lounge des Guesthouses
Zu allem Überfluss gibt es tatsächlich eine Bescherung. Ich bekomme ein Buch mit Kurzgeschichten australischer Autoren geschenkt. Das is' man ganz ein feinen Zuch von die Mönche. Wie es der Zufall so will, handelt gleich die erste Geschichte von einer Mutter im Outback, die die ganze Nacht wachbleibt, um ihre Kinder vor einer Schlange im Haus zu beschützen.
Ein Gast-Ehepaar ist dermaßen beglückt, an all dem teilnehmen zu dürfen, dass es schon fast weh tut: "Oh, it's an honour, it's an honour", betont Muddi voll unterwürfiger Freude. Mein Gott, wenn die wüsste, dass sogar solche Leute wie ich hier sein dürfen, dann würde sie das vielleicht etwas entspannter sehen.
Um 12.15 Uhr ist es wieder Zeit zum Mittagessen, wobei ich den Whisky erst einmal mit Rotwein verdünne. Doch im Anschluss geht das Weihnachtsgelage fröhlich weiter. Die Stimmung ist entsprechend ausgelassen. Zwei Stunden später bin ich schön abgefüllt und ziehe mich bei gefühlten 100 Grad Außentemperatur plus Windstille in meine Bude zurück.
Zum Abendessen veranstaltet der innerste klerikale Zirkel, also wirklich nur die Mönche und Postulanten, ein Barbeque in legerem Outfit mit Shorts und T-Shirts. Selbst daran lassen sie mich teilnehmen und gelegentlich durchaus weltliche Äußerungen aufschnappen. Immer noch komplett matschig, halte ich mich jetzt aber lieber an Softdrinks. Mit Einbruch der Dunkelheit ist dann auch hier Feierabend.
Und schon ist Weihnachten vorbei. Es hat gar nicht weh getan.
Am zweiten Weihnachtsfeiertag gilt bereits wieder business as usual. Den Tag verbringe ich mit Fotos sortieren, etwas Buchhaltung und gepflegtem Herumhängen. Zum Schreiben fehlt mir der Antrieb. Der erste Abschnitt des blogs ist auch noch nicht fertig und die holde Leserschaft sitzt mir unentwegt im Nacken wie die Heilige Inquisition. Zur Entspannung gehe ich mich erst einmal im Swimmingpool abkühlen. Niemand sonst ist da - herrlich.
New Norcia Pool
Und morgen ist noch ein Tag frei, weil Sonntag ist. Entsetzlich, dieses Nichtstun. Da freue ich mich doch allen Ernstes schon wieder auf die Arbeit. Irgendetwas stimmt nicht mit mir.
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Donnerstag, 24. Dezember 2009
Tag 8
cia, 05:49h
FRÖHLICHE WEIHNACHTEN EUCH ALLEN!
Ich selbst bin ja sowas von in Weihnachtsstimmung ...
Ich selbst bin ja sowas von in Weihnachtsstimmung ...
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Mittwoch, 23. Dezember 2009
Tag 7
cia, 11:44h
Zwischenzeitlich habe ich die Abläufe der Essensaufnahme halbwegs durchschaut: Das Dinner wird hier stets um 12:15 Uhr serviert. Die irreführende Bezeichnung geht auf den ursprünglichen Begriff aus England zurück, der die Hauptmahlzeit des Tages beschrieb, und zwar das Mittagessen. Im meinem Wörterbuch steht unter Dinner tatsächlich "Mittagessen". Unter Mittagessen finde ich allerdings "lunch". Und unter Abendessen steht dann "dinner". Unverkennbar haben die Langenscheidts mit den Entwicklern des hiesigen Münztelefons bei gemeinsamen Projekten Hand in Hand gearbeitet.
Direkt nach dem Gebet in der Kapelle eilen Mönche und ausgewählte Co-Beter die Treppe herunter, um durch eine Tür Richtung Refektorium zu verschwinden. Nichtbeter, die Bescheid wissen, warten unten vor der Tür genau auf diesen Moment und reihen sich artig in den Zug ein. Am ersten Abend war ich genau an diesem Punkt gescheitert. Das Zeitfenster für die berühmte "Abholung" ist ausgesprochen knapp bemessen. Im Refektorium angekommen, verteilen sich alle und bleiben zunächst vor ihren Plätzen stehen. Abt und Stellvertreter stehen dabei an der Tafel am Ende, links und rechts die Mönche, Novizen, Postulanten sowie engere Mitarbeiter, und an der mittleren Tafel stehen die Gäste.
Refektorium
Nach einem kurzen Gebet ist man gehalten sich zu setzen. Dann läutet der Abt eine kleine Glocke und die Gesellschaft lauscht dem Tischleser, der von seinem Pult das heutige Lesepensum verkündet. Dann läutet der Abt erneut und erst jetzt darf man die Servietten ausbreiten sowie die Gläser umdrehen, um diese gegebenenfalls zu füllen. Als Füllmittel stehen Wasser, selbstgemachte Zitronenlimonade und pro Person je ein Schoppen Rotwein nicht nur auf dem Tisch sondern auch zur Auswahl. Gleichzeitig wird der erste Gang hereingefahren. Die Servierarbeit erledigen Mönche und Mitarbeiter im Rotationsverfahren. Zuerst dürfen sich Abt und Stellvertreter, dann die Gäste und danach die Übrigen vom Brot aus der eigenen Bäckerei und anschließend von der reih'um dargebotenen Suppe nehmen.
Die Mahlzeiten werden dabei grundsätzlich schweigend eingenommen. Währenddessen liest ein Tischleser geistliche Literatur, Abschnitte aus der Ordensregel und Ähnliches vor. Sonntags gibt es als variatio klassische Musikstücke zu hören. Das Essen selbst ist abwechslungs-reich und eine deutliche Steigerung zu meiner sonstigen Reisekost.
Bei der eigentlichen Nahrungsaufnahme ist jahrelanger elterlicher Feinschliff dann eher hinderlich: Sowie das Essen auf dem Teller liegt, muss man so schnell wie möglich alles in sich hineinschaufeln, sonst reicht die Zeit einfach nicht. Anderen zuerst ein Getränk einzuschenken, Damen und Älteren den Vortritt zu lassen oder mit dem Essen auf alle zu warten ist im Refektorium unüblich, denn nicht lang, nachdem der Letzte sich genommen hat, wird beim Ersten schon wieder abgeräumt. Und ist beim Letzten abgeräumt, kommt kurz darauf schon der zweite Gang hereingefahren.
Erneut werden diverse Sättigungsbeilagen und das Hauptgericht herumgereicht, im Affenzahn verputzt und wieder abgeräumt. Da ist kaum Gelegenheit, sich mit dem Rotwein schön einen 'reinzubügeln und alkoholisch auf das nachfolgende Mittagsschläfchen vorzubereiten. Ich müsste die Gläser schon auf Ex trinken, um den Drittelliter überhaupt einmal leeren zu können. Dieser Gedanke ist noch noch ganz zuende gedacht, da wird auch schon das Dessert aufgetischt.
Es bleibt daher selten Zeit, den Mundinhalt jeweils regelkonform zu zerkauen. Irgendjemand steht immer hinter mir - entweder um Essen zu reichen, Teller abzuräumen oder um zu warten, bis ich fertig gegessen habe. Es gelingt mir gut, das gar nicht zu ignorieren und ich frage mich, ob es den Herrn nach menschlicher Stopfleber gelüstet. Gewohnt, in der vergleichbaren Geschwindigkeit zu essen, mit der Koalas tagsüber flüchten, bleiben mir nur zwei Optionen: Entweder die Teller äthiopisch füllen oder die jeweiligen Portionen ohne zu kauen als Ganzes herunterschlingen und sowohl Magen als auch Rectum zu bitten, sich erst später zu beschweren. Der Magen trägt's bisher erstaunlich gelassen, das Rectum dagegen ruft nach der nächsten Klimakonferenz. Und mit jeder Mahlzeit komme ich dem Heiligen Stuhl ein Stückchen näher.
Ist der letzte Teller abgeräumt, läutet der Abt wieder die Glocke und alle stehen auf, um hinter ihren Sitzplätzen Aufstellung zu nehmen. Es schellt noch einmal und der Tischleser singt oh Lord have mercy on us, was alle, außer anwesenden Atheisten, prompt mit einem aaaamen quittieren. Abschließend folgt noch ein kurzes Gebet durch den Abt und endet beispielsweise mit " ... and now that you have restored our strength, help us to serve you until the day ends. Amen".
Dann verschwinden sofort alle, als sei der Pontifex persönlich mit dem Klingelbeutel hinter ihnen her. Ein Mönch aber bleibt und lädt die Gäste noch auf einen Kaffe oder einen Port ein. Für mich eine der seltenen Gelegenheiten, überhaupt einmal mit Mönchen sprechen, da diese ansonsten schwer beschäftigt sind und zudem von acht Uhr abends bis acht Uhr morgens schweigen. Meine Arbeit erledige ich jetzt immer vormittags, um der nachmittäglichen Hitze zu entgehen und nach dem Portwein Muße für ein anschließendes Nickerchen zu haben.
Das Abendessen wird hier Tea genannt und wochentags um 19 Uhr, sonntags um 18.30 Uhr eingenommen. Die Bezeichnung reizt mich nicht einmal mehr zu einem angemessenen Kommentar - was ich kaum glauben kann. Der Ablauf ist fast dergleiche wie mittags. Es gibt jetzt allerdings kein richtiges Dessert mehr, sondern bloß etwas Obst auf die Kralle. Mit der necrology fröhnen die Mönche zudem einer schönen Sitte, bei der sie am Ende jedes Abendmahls ihrer Benediktinerbrüder gedenken, die am folgenden Tag in den vergangenen 150 Jahren weltweit verstorbenen sind und dazu vom Tischleser sämtlich namentlich genannt werden.
Da bin ich doch froh, in der Schule Alt-Griechisch gehabt zu haben. Das hilft mir jetzt enorm weiter. Ohne das wäre ich nie darauf gekommen, dass das Wort necrology etwas mit dem Tod zu tun hat. Latein als erste Fremdsprache war ja sowieso ein Gottesgeschenk. Ich würde ansonsten kein Wort verstehen, wenn die Klösterlichen hier so am herummönchen sind. Nach all den Jahren hat das Sitzenbleiben endlich einen Sinn bekommen.
Dann fehlt nur noch das Frühstück, das sie doch tatsächlich Breakfast nennen, obwohl es beispielsweise Lunch heißen müsste, wenn man der bisherigen Logik folgt. Die Mönche bleiben dabei in einem Vorraum des Refektoriums unter sich und zwingen mich ausgerechnet diese Mahlzeit im Frühstücksraum der normalen Gäste einzunehmen. Herrgott hilf! Gerade morgens wäre mir das Schweigegebot am Wichtigsten. Und von "normal" kann bei diesen Gästen sowieso keine Rede sein. Also mache ich mir in Windeseile Toasts und Müsli und verbarrikadiere mich sofort wieder in meiner Stube, wo ich in Ruhe essen und aufwachen kann.
Leser mit katholischem Durchblick müssten in der obigen Schilderung eigentlich über die Verknüpfung "Refektorium" und "Damen" gestolpert sein. In der Tat war dies bisher ein Ding der Unmöglichkeit. Nach seiner Wahl hat seine Pestilenz, Abt John, aber ein paar der starren Vorschriften etwas aufgeweicht und nun auch Weibsvolk in den Saal zugelassen.
Wenn dann gelegentlich noch ein paar scharfe Nonnen auf einen Ausritt vorbeikämen, wäre das Leben als Mönch für Viele vielleicht nicht mehr so unattraktiv.
Direkt nach dem Gebet in der Kapelle eilen Mönche und ausgewählte Co-Beter die Treppe herunter, um durch eine Tür Richtung Refektorium zu verschwinden. Nichtbeter, die Bescheid wissen, warten unten vor der Tür genau auf diesen Moment und reihen sich artig in den Zug ein. Am ersten Abend war ich genau an diesem Punkt gescheitert. Das Zeitfenster für die berühmte "Abholung" ist ausgesprochen knapp bemessen. Im Refektorium angekommen, verteilen sich alle und bleiben zunächst vor ihren Plätzen stehen. Abt und Stellvertreter stehen dabei an der Tafel am Ende, links und rechts die Mönche, Novizen, Postulanten sowie engere Mitarbeiter, und an der mittleren Tafel stehen die Gäste.
Refektorium
Nach einem kurzen Gebet ist man gehalten sich zu setzen. Dann läutet der Abt eine kleine Glocke und die Gesellschaft lauscht dem Tischleser, der von seinem Pult das heutige Lesepensum verkündet. Dann läutet der Abt erneut und erst jetzt darf man die Servietten ausbreiten sowie die Gläser umdrehen, um diese gegebenenfalls zu füllen. Als Füllmittel stehen Wasser, selbstgemachte Zitronenlimonade und pro Person je ein Schoppen Rotwein nicht nur auf dem Tisch sondern auch zur Auswahl. Gleichzeitig wird der erste Gang hereingefahren. Die Servierarbeit erledigen Mönche und Mitarbeiter im Rotationsverfahren. Zuerst dürfen sich Abt und Stellvertreter, dann die Gäste und danach die Übrigen vom Brot aus der eigenen Bäckerei und anschließend von der reih'um dargebotenen Suppe nehmen.
Die Mahlzeiten werden dabei grundsätzlich schweigend eingenommen. Währenddessen liest ein Tischleser geistliche Literatur, Abschnitte aus der Ordensregel und Ähnliches vor. Sonntags gibt es als variatio klassische Musikstücke zu hören. Das Essen selbst ist abwechslungs-reich und eine deutliche Steigerung zu meiner sonstigen Reisekost.
Bei der eigentlichen Nahrungsaufnahme ist jahrelanger elterlicher Feinschliff dann eher hinderlich: Sowie das Essen auf dem Teller liegt, muss man so schnell wie möglich alles in sich hineinschaufeln, sonst reicht die Zeit einfach nicht. Anderen zuerst ein Getränk einzuschenken, Damen und Älteren den Vortritt zu lassen oder mit dem Essen auf alle zu warten ist im Refektorium unüblich, denn nicht lang, nachdem der Letzte sich genommen hat, wird beim Ersten schon wieder abgeräumt. Und ist beim Letzten abgeräumt, kommt kurz darauf schon der zweite Gang hereingefahren.
Erneut werden diverse Sättigungsbeilagen und das Hauptgericht herumgereicht, im Affenzahn verputzt und wieder abgeräumt. Da ist kaum Gelegenheit, sich mit dem Rotwein schön einen 'reinzubügeln und alkoholisch auf das nachfolgende Mittagsschläfchen vorzubereiten. Ich müsste die Gläser schon auf Ex trinken, um den Drittelliter überhaupt einmal leeren zu können. Dieser Gedanke ist noch noch ganz zuende gedacht, da wird auch schon das Dessert aufgetischt.
Es bleibt daher selten Zeit, den Mundinhalt jeweils regelkonform zu zerkauen. Irgendjemand steht immer hinter mir - entweder um Essen zu reichen, Teller abzuräumen oder um zu warten, bis ich fertig gegessen habe. Es gelingt mir gut, das gar nicht zu ignorieren und ich frage mich, ob es den Herrn nach menschlicher Stopfleber gelüstet. Gewohnt, in der vergleichbaren Geschwindigkeit zu essen, mit der Koalas tagsüber flüchten, bleiben mir nur zwei Optionen: Entweder die Teller äthiopisch füllen oder die jeweiligen Portionen ohne zu kauen als Ganzes herunterschlingen und sowohl Magen als auch Rectum zu bitten, sich erst später zu beschweren. Der Magen trägt's bisher erstaunlich gelassen, das Rectum dagegen ruft nach der nächsten Klimakonferenz. Und mit jeder Mahlzeit komme ich dem Heiligen Stuhl ein Stückchen näher.
Ist der letzte Teller abgeräumt, läutet der Abt wieder die Glocke und alle stehen auf, um hinter ihren Sitzplätzen Aufstellung zu nehmen. Es schellt noch einmal und der Tischleser singt oh Lord have mercy on us, was alle, außer anwesenden Atheisten, prompt mit einem aaaamen quittieren. Abschließend folgt noch ein kurzes Gebet durch den Abt und endet beispielsweise mit " ... and now that you have restored our strength, help us to serve you until the day ends. Amen".
Dann verschwinden sofort alle, als sei der Pontifex persönlich mit dem Klingelbeutel hinter ihnen her. Ein Mönch aber bleibt und lädt die Gäste noch auf einen Kaffe oder einen Port ein. Für mich eine der seltenen Gelegenheiten, überhaupt einmal mit Mönchen sprechen, da diese ansonsten schwer beschäftigt sind und zudem von acht Uhr abends bis acht Uhr morgens schweigen. Meine Arbeit erledige ich jetzt immer vormittags, um der nachmittäglichen Hitze zu entgehen und nach dem Portwein Muße für ein anschließendes Nickerchen zu haben.
Das Abendessen wird hier Tea genannt und wochentags um 19 Uhr, sonntags um 18.30 Uhr eingenommen. Die Bezeichnung reizt mich nicht einmal mehr zu einem angemessenen Kommentar - was ich kaum glauben kann. Der Ablauf ist fast dergleiche wie mittags. Es gibt jetzt allerdings kein richtiges Dessert mehr, sondern bloß etwas Obst auf die Kralle. Mit der necrology fröhnen die Mönche zudem einer schönen Sitte, bei der sie am Ende jedes Abendmahls ihrer Benediktinerbrüder gedenken, die am folgenden Tag in den vergangenen 150 Jahren weltweit verstorbenen sind und dazu vom Tischleser sämtlich namentlich genannt werden.
Da bin ich doch froh, in der Schule Alt-Griechisch gehabt zu haben. Das hilft mir jetzt enorm weiter. Ohne das wäre ich nie darauf gekommen, dass das Wort necrology etwas mit dem Tod zu tun hat. Latein als erste Fremdsprache war ja sowieso ein Gottesgeschenk. Ich würde ansonsten kein Wort verstehen, wenn die Klösterlichen hier so am herummönchen sind. Nach all den Jahren hat das Sitzenbleiben endlich einen Sinn bekommen.
Dann fehlt nur noch das Frühstück, das sie doch tatsächlich Breakfast nennen, obwohl es beispielsweise Lunch heißen müsste, wenn man der bisherigen Logik folgt. Die Mönche bleiben dabei in einem Vorraum des Refektoriums unter sich und zwingen mich ausgerechnet diese Mahlzeit im Frühstücksraum der normalen Gäste einzunehmen. Herrgott hilf! Gerade morgens wäre mir das Schweigegebot am Wichtigsten. Und von "normal" kann bei diesen Gästen sowieso keine Rede sein. Also mache ich mir in Windeseile Toasts und Müsli und verbarrikadiere mich sofort wieder in meiner Stube, wo ich in Ruhe essen und aufwachen kann.
Leser mit katholischem Durchblick müssten in der obigen Schilderung eigentlich über die Verknüpfung "Refektorium" und "Damen" gestolpert sein. In der Tat war dies bisher ein Ding der Unmöglichkeit. Nach seiner Wahl hat seine Pestilenz, Abt John, aber ein paar der starren Vorschriften etwas aufgeweicht und nun auch Weibsvolk in den Saal zugelassen.
Wenn dann gelegentlich noch ein paar scharfe Nonnen auf einen Ausritt vorbeikämen, wäre das Leben als Mönch für Viele vielleicht nicht mehr so unattraktiv.
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Tag 2
cia, 11:42h
Vor lauter Entsetzen ist gestern ein echtes Highlight völlig untergegangen: In meinem Zimmer steht nämlich ein Bett! Ein richtiges Bett! Mit vier Füßen! Mit Matratze, die völlig plan aufliegt! Für mich wäre eigentlich schon Weihnachten gewesen, denn ich durfte mich nach 58 Tagen Campen im Kombi erstmals wieder ordnungsgemäß zur Ruhe begeben. Mein Rücken ist allerdings der Ansicht, dass dieses Bett nicht unbedingt als Geschenk zu betrachten sei. Also wache ich an diesem Morgen viel zu früh auf und gehe gleich aus zweierlei Gründen gebeugten Rückens vor die Tür, um mir die Beine zu verteten und die verstörenden Gedanken zu ordnen.
Bei meiner Rückkehr treffe ich auf einen Mönch freundlichen Antlitzes und frage ihn, ob er denn nun wisse, wo der Abt zu finden sei. Halleluja, diesmal bin ich an der richtigen Adresse. Ach, ICH sei der junge Mann aus Deutschland, der hier ein paar Wochen arbeiten wolle, entgegnet Dom Christopher und entschwebt auf Adelers Fittichen um den Abt zu holen, auf dass er mich nun endlich begrüßen möge. Nun gut, jung ist zwar relativ, auch wenn es hier in Relation stimmen mag. Weit mehr als dies erfreut mich aber, dass es tatsächlich binnen weniger Augenblicke an meiner Pforte klopft und mir Abbot John wie der Erlöser erscheint. Er entschuldigt sich gleich für die vielen Unannehmlichkeiten, da sei doch Einiges weniger optimal gelaufen. Nein, das ist richtig scheiße gelaufen, schießt es mir durch den Kopf, aber aus Ehrfurcht vor diesen heiligen Hallen halte ich mich ausnahmsweise mit Verlautbarungen zurück, denn ich sah, dass es nun gut war.
Nach der freundlichen Begrüßung übergibt mich John in die Hände von Father Ian. Der ist zwar kein Mönch, aber als eine Art Freiberufler im Dienste des Klosters tätig und zwar sowohl in weltlichen als auch in kirchlichen Belangen. Der weltliche Ian führt mich alsbald zum Ort meiner künftigen Tätigkeit. Im Zentrum des Klosters befindet sich ein rudimentärer formal garden, wo Kanten zu schneiden, Laub zu harken und Wege zu fegen sind. Ich soll etwa drei bis vier Stunden täglich arbeiten und kann mir die Zeit frei einteilen. Damit kann ich gut leben. Und für den Nachmittag werde ich gleich zwecks Orientierung zu einer touristischen Führung durch die Örtlichkeiten angemeldet.
Nun, da die Dinge geregelt scheinen, kann ich mich erst einmal in meiner Bude häuslich einrichten. Ohne vernünftige Ordnung findet man ja nichts wieder.
Stube Nr. 7
Es dauert nicht lang, dann ist es auch schon Zeit zum Mittagessen. Diesmal stehe ich rechtzeitig am richtigen Ort und hänge mich an den Tross aus Mönchen und anderen Gästen an. Im herrlich kühlen Refektorium wird mir ein Platz zugewiesen, ein Gebet gesprochen und dann die Mahlzeit schweigend in einer derartigen Geschwindigkeit eingenommen, dass ich mit dem Kauen kaum nachkomme. Aber ich preise den Herrn dafür, dass ich mir nicht schon wieder eine Tütensuppe auf dem Parkplatz kochen muss, wie gestern Abend.
Bald darauf beginnt die Führung durch die Gemeinde und führt an den wesentlichen Einrichtungen der 1846 gegründeten Mission vorbei.
Zentrum ist natürlich der eigentliche Klosterkomplex, hier südlich von der Seite des Guesthouses oder dem southern cloister mit der klösterlichen Kapelle aus gesehen:
New Norcia Monastery
Selbstverständlich braucht die Gemeinde zusätzlich eine richtige Kirche für die Messen.
Abbey Church
Im ehemaligen St. Joseph's Waisenhaus sind heute das Museum und die Kunstausstellung mit einer bedeutenden Sammlung religiöser Malereien untergebracht. 1986 war dies der Schauplatz eines Überfalls, bei dem zwei Männer die Kassiererin knebelten, 26 Bilder aus dem siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert grob aus dem Rahmen schnitten, die Leinwände schön praktisch einrollten und mit einem Leihwagen davonfuhren. Dank der meist verlässlichen Dämlichkeit solcher Täter, konnten diese schnell gefasst und alle Kunstwerke bis auf eines sichergestellt werden - einer der Malefizbuben hatte das Tatfahrzeug unter seinem eigenen Namen angemietet. Die aufwändige Restauration der Bilder dauert dagegen bis zum heutigen Tage an.
New Norcia Museum & Art Gallery
Die Vermittlung von Bildung war bei den Benediktinern von Anfang an ein Schwerpunkt ihrer Tätigkeiten. Auch der erste Abt und einer der Gründerväter der Mission New Norcia, Rosendo Salvado, war darauf bedacht, einheimischen Kindern eine praktische Bildung und den christlichen Glauben, unter respektvoller Berücksichtigung der Kultur der australischen Ureinwohner, zu vermitteln. Das ist gerade für damalige Missionare ziemlich ungewöhnlich.
Salvados Nachfolger verlagerte den Schwerpunkt dann auf die Ausbildung der weißen Bevölkerung Westaustraliens. Er entwarf und beauftrage dafür zunächst den Bau einer Schule für Mädchen, die im Jahre 1908 fertiggestellt wurde.
St. Gertrude's College für Mädchen
1909 folgte dann gleich eine Schule für Jungen.
St. Ildephonsus College für Jungen
Der dritte Abt ließ das heutige New Norcia Hotel errichten, in dem früher Eltern auf Besuch untergebracht wurden.
New Norcia Hotel
Die Schulen sind schon lang nicht mehr in Betrieb. Die Räumlichkeiten werden heute an Gruppen mit bis zu 200 Personen, wie Seminaristen oder Musiker, die in den jeweiligen Kapellen spielen wollen, vermietet.
Kapelle im St. Gertrud's College
Für den Überblick hier noch ein Lageplan - ohne Maßstab und Nordpfeil. Norden ist rechts:
The Benedictine Community
Richtung Norden gibt es noch ein paar Wohnhäuser - das war es dann schon. Insgesamt beschäftigen die Mönche hier 73 Mitarbeiter, um den Klosterbetrieb aufrecht zu erhalten, das eigene Brot zu backen, New Norcia Olivenöl zu pressen, und noch und nöcher.
Nach zwei Stunden ist die Führung vorbei und ich bin im Eimer. Also döse ich noch ein wenig und um nehme um 19 Uhr ein hektisches Abendessen ein. Damit wäre der Tag für heute eigentlich gelaufen. Eines Problemes muss ich mich aber leider noch annehmen, nämlich des verfluchten Telefons. Ich bete drei Ave Maria und versuche es nochmals ganz von vorn. Und tatsächlich, das Geheimnis des Telefons hat sich wie durch ein Wunder gelöst: Hier muss man ERST die Nummer wählen, und DANN die Münzen einwerfen. Wirklich sehr sinnvoll, wenn alle anderen Telefone im Lande genau umgekehrt funktionieren.
Bei meiner Rückkehr treffe ich auf einen Mönch freundlichen Antlitzes und frage ihn, ob er denn nun wisse, wo der Abt zu finden sei. Halleluja, diesmal bin ich an der richtigen Adresse. Ach, ICH sei der junge Mann aus Deutschland, der hier ein paar Wochen arbeiten wolle, entgegnet Dom Christopher und entschwebt auf Adelers Fittichen um den Abt zu holen, auf dass er mich nun endlich begrüßen möge. Nun gut, jung ist zwar relativ, auch wenn es hier in Relation stimmen mag. Weit mehr als dies erfreut mich aber, dass es tatsächlich binnen weniger Augenblicke an meiner Pforte klopft und mir Abbot John wie der Erlöser erscheint. Er entschuldigt sich gleich für die vielen Unannehmlichkeiten, da sei doch Einiges weniger optimal gelaufen. Nein, das ist richtig scheiße gelaufen, schießt es mir durch den Kopf, aber aus Ehrfurcht vor diesen heiligen Hallen halte ich mich ausnahmsweise mit Verlautbarungen zurück, denn ich sah, dass es nun gut war.
Nach der freundlichen Begrüßung übergibt mich John in die Hände von Father Ian. Der ist zwar kein Mönch, aber als eine Art Freiberufler im Dienste des Klosters tätig und zwar sowohl in weltlichen als auch in kirchlichen Belangen. Der weltliche Ian führt mich alsbald zum Ort meiner künftigen Tätigkeit. Im Zentrum des Klosters befindet sich ein rudimentärer formal garden, wo Kanten zu schneiden, Laub zu harken und Wege zu fegen sind. Ich soll etwa drei bis vier Stunden täglich arbeiten und kann mir die Zeit frei einteilen. Damit kann ich gut leben. Und für den Nachmittag werde ich gleich zwecks Orientierung zu einer touristischen Führung durch die Örtlichkeiten angemeldet.
Nun, da die Dinge geregelt scheinen, kann ich mich erst einmal in meiner Bude häuslich einrichten. Ohne vernünftige Ordnung findet man ja nichts wieder.
Stube Nr. 7
Es dauert nicht lang, dann ist es auch schon Zeit zum Mittagessen. Diesmal stehe ich rechtzeitig am richtigen Ort und hänge mich an den Tross aus Mönchen und anderen Gästen an. Im herrlich kühlen Refektorium wird mir ein Platz zugewiesen, ein Gebet gesprochen und dann die Mahlzeit schweigend in einer derartigen Geschwindigkeit eingenommen, dass ich mit dem Kauen kaum nachkomme. Aber ich preise den Herrn dafür, dass ich mir nicht schon wieder eine Tütensuppe auf dem Parkplatz kochen muss, wie gestern Abend.
Bald darauf beginnt die Führung durch die Gemeinde und führt an den wesentlichen Einrichtungen der 1846 gegründeten Mission vorbei.
Zentrum ist natürlich der eigentliche Klosterkomplex, hier südlich von der Seite des Guesthouses oder dem southern cloister mit der klösterlichen Kapelle aus gesehen:
New Norcia Monastery
Selbstverständlich braucht die Gemeinde zusätzlich eine richtige Kirche für die Messen.
Abbey Church
Im ehemaligen St. Joseph's Waisenhaus sind heute das Museum und die Kunstausstellung mit einer bedeutenden Sammlung religiöser Malereien untergebracht. 1986 war dies der Schauplatz eines Überfalls, bei dem zwei Männer die Kassiererin knebelten, 26 Bilder aus dem siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert grob aus dem Rahmen schnitten, die Leinwände schön praktisch einrollten und mit einem Leihwagen davonfuhren. Dank der meist verlässlichen Dämlichkeit solcher Täter, konnten diese schnell gefasst und alle Kunstwerke bis auf eines sichergestellt werden - einer der Malefizbuben hatte das Tatfahrzeug unter seinem eigenen Namen angemietet. Die aufwändige Restauration der Bilder dauert dagegen bis zum heutigen Tage an.
New Norcia Museum & Art Gallery
Die Vermittlung von Bildung war bei den Benediktinern von Anfang an ein Schwerpunkt ihrer Tätigkeiten. Auch der erste Abt und einer der Gründerväter der Mission New Norcia, Rosendo Salvado, war darauf bedacht, einheimischen Kindern eine praktische Bildung und den christlichen Glauben, unter respektvoller Berücksichtigung der Kultur der australischen Ureinwohner, zu vermitteln. Das ist gerade für damalige Missionare ziemlich ungewöhnlich.
Salvados Nachfolger verlagerte den Schwerpunkt dann auf die Ausbildung der weißen Bevölkerung Westaustraliens. Er entwarf und beauftrage dafür zunächst den Bau einer Schule für Mädchen, die im Jahre 1908 fertiggestellt wurde.
St. Gertrude's College für Mädchen
1909 folgte dann gleich eine Schule für Jungen.
St. Ildephonsus College für Jungen
Der dritte Abt ließ das heutige New Norcia Hotel errichten, in dem früher Eltern auf Besuch untergebracht wurden.
New Norcia Hotel
Die Schulen sind schon lang nicht mehr in Betrieb. Die Räumlichkeiten werden heute an Gruppen mit bis zu 200 Personen, wie Seminaristen oder Musiker, die in den jeweiligen Kapellen spielen wollen, vermietet.
Kapelle im St. Gertrud's College
Für den Überblick hier noch ein Lageplan - ohne Maßstab und Nordpfeil. Norden ist rechts:
The Benedictine Community
Richtung Norden gibt es noch ein paar Wohnhäuser - das war es dann schon. Insgesamt beschäftigen die Mönche hier 73 Mitarbeiter, um den Klosterbetrieb aufrecht zu erhalten, das eigene Brot zu backen, New Norcia Olivenöl zu pressen, und noch und nöcher.
Nach zwei Stunden ist die Führung vorbei und ich bin im Eimer. Also döse ich noch ein wenig und um nehme um 19 Uhr ein hektisches Abendessen ein. Damit wäre der Tag für heute eigentlich gelaufen. Eines Problemes muss ich mich aber leider noch annehmen, nämlich des verfluchten Telefons. Ich bete drei Ave Maria und versuche es nochmals ganz von vorn. Und tatsächlich, das Geheimnis des Telefons hat sich wie durch ein Wunder gelöst: Hier muss man ERST die Nummer wählen, und DANN die Münzen einwerfen. Wirklich sehr sinnvoll, wenn alle anderen Telefone im Lande genau umgekehrt funktionieren.
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Ankunft in New Norcia
cia, 09:46h
Donnerstag, 17. Dezember 2009. Heute Nachmittag bin ich endlich an einem zu meiner Frisur passenden Ort angekommen. Nein, nicht in Mecklenburg-Vorpommern, sondern im Benediktinerkloster New Norcia (sprich: norßja). Der Plan sieht vor, dass ich hier die nächsten Wochen Hand-gegen-Koje arbeite, um der fürchterlichen Sommerferiensaion zu entgehen, die alljährlich von Mitte Dezember bis Ende Januar ganz Australien erfasst und Menschenmassen wie die sieben Plagen über sämtliche Straßen und Sehenswürdigkeiten hereinbrechen lässt.
Außerdem freue ich mich auf eine völlig neue Erfahrung in diesem nächsten Abschnitt, der mich vielleicht zur Ruhe kommen und nach der anstrengenden Herumerleberei meine Neugier auf den Rest des Kontinents wieder steigen lässt.
Der erste Eindruck ist allerdings zwiespältig. New Norcia ist weniger ein Ort als vielmehr eine Anlage, die aus vielen, vergleichsweise alten Gebäuden aus Stein, teils im spanischen Stil wie das Kloster selbst, besteht, die großzügig im Gelände verteilt sind. Das ist ganz gefällig, ebenso wie das hügelige Umland, wo die Bäume grün und die Gräser gelb sind. Immerhin hatte ich die totale Wüste erwartet.
Benediktinerkloster New Norcia
Während ich aber im Vorraum des klösterlichen Guesthouses auf Abt John warte, treffe ich nur auf ältere Leute, die allesamt vom Wahnsinn befallen zu sein scheinen. Für sowas habe ich gute Antennen. Ein Typ weist mich beispielsweise daraufhin, dass mein Wagen aus dem Northern Territory stammt. Wegen des Kennzeichens, sagt er. Ach was. Ich kann meine freudige Überraschung darüber, nun endlich zu wissen, wo ich den Wagen selbst angemeldet habe, kaum verbergen. Da ich offensichtlich noch länger warten muss, hole ich schnell den Klappcomputer aus dem Wagen, um etwas Schreiberei wie diese hier zu erledigen und durch Arbeitsvortäuschung weitere Gesprächsnötigung zu verhindern.
Bald wird deutlich, dass derselbe Typ von eben, der jetzt in einer Ecke Zeitung liest, leider zu der anstrengenden Gattung Mensch namens "Bewegungsstöhner" gehört. Das sind Leute, die jede ihrer Bewegungen mit einem Geräusch, eben meistens mit irgendeiner Form von Stöhnen, quittieren müssen. Das macht einen weich. Zudem laufen hier, es ist etwa halb Fünf am Nachmittag, noch ein paar verknöcherte, alte Schachteln in eigenartigen Mischungen aus Morgenrock und Arbeitskittel umher und reden wirres Zeug. Es ist wie in einer Pflegeabteilung.
Der Bewegungsstöhner hat seine Zeitung irgendwann ausgelesen und fragt mich auf eine sonderbar störend-intensive Art, ob ich die Zeitung jetzt lesen wolle. Da ist es bereits um meine Geduld geschehen. "Achtung, distanzloser Irrer" geht mein innerer Alarm sofort von Stufe Gelb auf Rot und ich sage ihm mit aufgestellten Nackenfedern, dass ich das jetzt sicher nicht wolle, denn ich sei ja dabei zu schreiben, wie am andauernden Tippen unschwer zu erkennen sei. Das scheint er immerhin kapiert zu haben und trollt sich.
Nicht lang, dann kommt zur Abwechslung ein anderer Typ mit wippendem Gang und wahnsinnigem Blick herein und plappert sofort auf mich ein. Das sehe ja unheimlich professionell aus, da, so, alles mit Computer und so. Glücklicherweise sagt er das im Vorbeigehen. Sicher. Ein Kerl, der mit einem Netbook am Tisch sitzt. Supraprofessionell. Und dabei so jugendlich. Mit einem Hauch von technischer Finesse auch. Mein Gesichtausdruck schwankt zwischen Amüsiertheit und Fassungslosigkeit. Ich frage mich ernsthaft, ob ich das lange aushalten kann. Eigentlich war die letzte halbe Stunde schon zuviel für mich. Wenn Dr. Köhnlechner nicht schon tot wäre, hätte er hier noch Einiges zu euthanasieren.
Nur ein paar Minuten und aus einem Ort der Zuflucht ist ein Ort des Schreckens geworden. Ich muss dringend die Mailadresse von Surflehrer Mike in Denmark 'raussuchen und ihn fragen, ob sein Angebot noch gilt. Mittlerweile sitze ich hier schon über eine Stunde und finde das in Kürze nicht mehr akzeptabel. Dann sehe ich im offen an der Rezeption herumliegenden Belegungsbuch wenigstens, dass ich schon von Geisterhand eingecheckt wurde und eigentlich nur in mein Zimmer einziehen muss. Schlüssel steckt. DAS hat mir von den Irren, die mich am Ende ALLE bequatscht hatten, natürlich niemand erzählt und die Guesthouse-Managerin glänzte durch Abwesenheit. Da ich allmählich auch noch müde werde, will ich jetzt einfach in mein Zimmer gehen und auf morgen warten. Im Gang vor meinem Zimmer treffe ich aber doch noch auf die Managerin, die mir mit autistischem Blick erzählt, ich wäre zum Abendessen im Refektorium eingeplant. Das Essen finde in einer halben Stunde statt, direkt nach dem Abendgebet.
Famos, denke ich mir und versuche, die Zeit nutzend, meine Mutter anzurufen. Für das Telefonat muss ich normalerweise 50 Cent einwerfen, um eine Nummer anzurufen, unter der ich eine weitere Nummer eingebe mit der ich dann günstig ins Ausland telefonieren kann. 50-Cent-Stücke nimmt dieser Apparat aber nicht, kleinere Münzen habe ich nicht, also hole ich eine 1-Dollar-Münze aus dem Wagen und wähle die erste Nummer. Das lässt das Telefon auch noch zu. Dann sagt mir die Anzeige aber, ich solle noch 50 Cent einwerfen. Da ich das nicht tue, weil ich keine 50 Cent habe, kappt die Anlage nach zwei Sekunden den Wählversuch und behält selbstverständlich den Dollar ein.
Na fein. Also hole ich jetzt, den Wucher missachtend, ein 2-Dollar-Stück aus dem Wagen und treffe bei meiner Rückkehr auf einen der Verrückten, der zwischenzeitlich das Telefon okkupiert hat. Mit der epochalen Sprechgeschwindigkeit von dreieinhalb Worten pro Minute braucht der gute Mann über eine halbe Stunde, um auch nur die Basisinformationen zum guten Wetter zu übermitteln.
Gereizt gehe ich zur Kapelle, wo das Abendgebet gerade beendet ist und ich nun endlich auf den Abt zu treffen hoffe. Statt dessen werde ich von einer alten Grantel, die sich hier recht ungeschickt für ihr zweites Leben vorbereitet, auf der Treppe niedergewalzt. Ihr folgen zwei Mönche, deren Gesichtsausdruck ebenfalls nichts mit Nächstenliebe zu tun hat. Vom Abt wieder keine Spur. Also tapere ich zur Kapelle hoch. Dort erfahre ich von der Organistin, der Abt sei bestimmt nicht hier, weil er noch einen Termin habe. Für das Abendessen im Refektorium sei es jetzt aber zu spät, da habe ich wohl die Abholung verpasst. Wie jetzt? Wo muss ich abgeholt werden? Das ist ja wie bei der Bundeswehr! Kann mir hier Irgendjemand mal irgendetwas nachvollziehbar erklären???
Nun habe ich echt die Schnauze voll und versuche wenigstens nochmal die Frau Mama anzurufen. Also werfe ich die 2-Dollar-Münze ein. Natürlich soll ich, kurz nachdem ich die erste Nummer gewählt habe, weitere 50 Cent einwerfen. Die 2 Dollar sind selbstredend erneut genauso futsch wie a) die herzustellende Verbindung und b) der Rest von meiner Scheißlaune. Die Laune, die jetzt kommt, ist noch scheißer. Neehe, aber nicht mit mir, Kollegen. Ich nehme also den Wagen und finde die einzige normale Telefonzelle in dieser Großstadt. Völlig überraschenderweise ist das Telefon kaputt. Gut, für heute habt ihr gewonnen.
Guter Dinge kehre ich ins Gästehaus zurück, um wenigstens die schlaue Fensterkonstruktion zu optimieren. Die bietet unten zwar ein gut eingepasstes Mückennetz, oben klafft aber über die gesamte Fensterbreite eine fingerbreite Lücke zwischen den einzelnen Scheiben - ohne Mückengitter, dafür mit Hinweisschild auf Mückisch: "Achtung Umleitung". Hervorragende Ingenieursleistung. Wer denkt sich so einen bullshit bloß aus? Gerade stehe ich mit einem Bein auf dem Schrank und mit dem anderen Bein auf dem schmalen Fensterbrett um die Fensterlücke mit Klopapier abzudichten, da geht ohne Klopfen die Tür zu meinem Zimmer auf und der Bewegungsstöhner kommt hereinspaziert.
Kein Witz! Bestimmt taucht gleich Kurt Felix auf und Paola trällert ein fröhlich Lied, während ich dem Publikum vorgeführt werde. Dieser Vollpfosten hat Zimmer 3, ich die 7. Die Räume liegen auch nicht nebeneinander oder gegenüber. Na klar, man kann sich ja mal, wenn man gerade so intensiv an den Herrn denkt, komplett im Zimmer irren. Irren ist dabei aber genau der richtige Ausdruck. Das war ein bisschen viel Wahnsinn heute. Wer weiß, ob die mich heute nacht nicht aus der Bude holen, um irgendwelche kranken Versuche mit mir zu machen.
Eines ist ganz sicher: Wenn ich morgen Früh nicht klar erfahre, was ich hier tun soll und kann, dann wird dies das kürzeste Kapitel der Reise! Sofern ich den nächsten Tag überhaupt erlebe.
Außerdem freue ich mich auf eine völlig neue Erfahrung in diesem nächsten Abschnitt, der mich vielleicht zur Ruhe kommen und nach der anstrengenden Herumerleberei meine Neugier auf den Rest des Kontinents wieder steigen lässt.
Der erste Eindruck ist allerdings zwiespältig. New Norcia ist weniger ein Ort als vielmehr eine Anlage, die aus vielen, vergleichsweise alten Gebäuden aus Stein, teils im spanischen Stil wie das Kloster selbst, besteht, die großzügig im Gelände verteilt sind. Das ist ganz gefällig, ebenso wie das hügelige Umland, wo die Bäume grün und die Gräser gelb sind. Immerhin hatte ich die totale Wüste erwartet.
Benediktinerkloster New Norcia
Während ich aber im Vorraum des klösterlichen Guesthouses auf Abt John warte, treffe ich nur auf ältere Leute, die allesamt vom Wahnsinn befallen zu sein scheinen. Für sowas habe ich gute Antennen. Ein Typ weist mich beispielsweise daraufhin, dass mein Wagen aus dem Northern Territory stammt. Wegen des Kennzeichens, sagt er. Ach was. Ich kann meine freudige Überraschung darüber, nun endlich zu wissen, wo ich den Wagen selbst angemeldet habe, kaum verbergen. Da ich offensichtlich noch länger warten muss, hole ich schnell den Klappcomputer aus dem Wagen, um etwas Schreiberei wie diese hier zu erledigen und durch Arbeitsvortäuschung weitere Gesprächsnötigung zu verhindern.
Bald wird deutlich, dass derselbe Typ von eben, der jetzt in einer Ecke Zeitung liest, leider zu der anstrengenden Gattung Mensch namens "Bewegungsstöhner" gehört. Das sind Leute, die jede ihrer Bewegungen mit einem Geräusch, eben meistens mit irgendeiner Form von Stöhnen, quittieren müssen. Das macht einen weich. Zudem laufen hier, es ist etwa halb Fünf am Nachmittag, noch ein paar verknöcherte, alte Schachteln in eigenartigen Mischungen aus Morgenrock und Arbeitskittel umher und reden wirres Zeug. Es ist wie in einer Pflegeabteilung.
Der Bewegungsstöhner hat seine Zeitung irgendwann ausgelesen und fragt mich auf eine sonderbar störend-intensive Art, ob ich die Zeitung jetzt lesen wolle. Da ist es bereits um meine Geduld geschehen. "Achtung, distanzloser Irrer" geht mein innerer Alarm sofort von Stufe Gelb auf Rot und ich sage ihm mit aufgestellten Nackenfedern, dass ich das jetzt sicher nicht wolle, denn ich sei ja dabei zu schreiben, wie am andauernden Tippen unschwer zu erkennen sei. Das scheint er immerhin kapiert zu haben und trollt sich.
Nicht lang, dann kommt zur Abwechslung ein anderer Typ mit wippendem Gang und wahnsinnigem Blick herein und plappert sofort auf mich ein. Das sehe ja unheimlich professionell aus, da, so, alles mit Computer und so. Glücklicherweise sagt er das im Vorbeigehen. Sicher. Ein Kerl, der mit einem Netbook am Tisch sitzt. Supraprofessionell. Und dabei so jugendlich. Mit einem Hauch von technischer Finesse auch. Mein Gesichtausdruck schwankt zwischen Amüsiertheit und Fassungslosigkeit. Ich frage mich ernsthaft, ob ich das lange aushalten kann. Eigentlich war die letzte halbe Stunde schon zuviel für mich. Wenn Dr. Köhnlechner nicht schon tot wäre, hätte er hier noch Einiges zu euthanasieren.
Nur ein paar Minuten und aus einem Ort der Zuflucht ist ein Ort des Schreckens geworden. Ich muss dringend die Mailadresse von Surflehrer Mike in Denmark 'raussuchen und ihn fragen, ob sein Angebot noch gilt. Mittlerweile sitze ich hier schon über eine Stunde und finde das in Kürze nicht mehr akzeptabel. Dann sehe ich im offen an der Rezeption herumliegenden Belegungsbuch wenigstens, dass ich schon von Geisterhand eingecheckt wurde und eigentlich nur in mein Zimmer einziehen muss. Schlüssel steckt. DAS hat mir von den Irren, die mich am Ende ALLE bequatscht hatten, natürlich niemand erzählt und die Guesthouse-Managerin glänzte durch Abwesenheit. Da ich allmählich auch noch müde werde, will ich jetzt einfach in mein Zimmer gehen und auf morgen warten. Im Gang vor meinem Zimmer treffe ich aber doch noch auf die Managerin, die mir mit autistischem Blick erzählt, ich wäre zum Abendessen im Refektorium eingeplant. Das Essen finde in einer halben Stunde statt, direkt nach dem Abendgebet.
Famos, denke ich mir und versuche, die Zeit nutzend, meine Mutter anzurufen. Für das Telefonat muss ich normalerweise 50 Cent einwerfen, um eine Nummer anzurufen, unter der ich eine weitere Nummer eingebe mit der ich dann günstig ins Ausland telefonieren kann. 50-Cent-Stücke nimmt dieser Apparat aber nicht, kleinere Münzen habe ich nicht, also hole ich eine 1-Dollar-Münze aus dem Wagen und wähle die erste Nummer. Das lässt das Telefon auch noch zu. Dann sagt mir die Anzeige aber, ich solle noch 50 Cent einwerfen. Da ich das nicht tue, weil ich keine 50 Cent habe, kappt die Anlage nach zwei Sekunden den Wählversuch und behält selbstverständlich den Dollar ein.
Na fein. Also hole ich jetzt, den Wucher missachtend, ein 2-Dollar-Stück aus dem Wagen und treffe bei meiner Rückkehr auf einen der Verrückten, der zwischenzeitlich das Telefon okkupiert hat. Mit der epochalen Sprechgeschwindigkeit von dreieinhalb Worten pro Minute braucht der gute Mann über eine halbe Stunde, um auch nur die Basisinformationen zum guten Wetter zu übermitteln.
Gereizt gehe ich zur Kapelle, wo das Abendgebet gerade beendet ist und ich nun endlich auf den Abt zu treffen hoffe. Statt dessen werde ich von einer alten Grantel, die sich hier recht ungeschickt für ihr zweites Leben vorbereitet, auf der Treppe niedergewalzt. Ihr folgen zwei Mönche, deren Gesichtsausdruck ebenfalls nichts mit Nächstenliebe zu tun hat. Vom Abt wieder keine Spur. Also tapere ich zur Kapelle hoch. Dort erfahre ich von der Organistin, der Abt sei bestimmt nicht hier, weil er noch einen Termin habe. Für das Abendessen im Refektorium sei es jetzt aber zu spät, da habe ich wohl die Abholung verpasst. Wie jetzt? Wo muss ich abgeholt werden? Das ist ja wie bei der Bundeswehr! Kann mir hier Irgendjemand mal irgendetwas nachvollziehbar erklären???
Nun habe ich echt die Schnauze voll und versuche wenigstens nochmal die Frau Mama anzurufen. Also werfe ich die 2-Dollar-Münze ein. Natürlich soll ich, kurz nachdem ich die erste Nummer gewählt habe, weitere 50 Cent einwerfen. Die 2 Dollar sind selbstredend erneut genauso futsch wie a) die herzustellende Verbindung und b) der Rest von meiner Scheißlaune. Die Laune, die jetzt kommt, ist noch scheißer. Neehe, aber nicht mit mir, Kollegen. Ich nehme also den Wagen und finde die einzige normale Telefonzelle in dieser Großstadt. Völlig überraschenderweise ist das Telefon kaputt. Gut, für heute habt ihr gewonnen.
Guter Dinge kehre ich ins Gästehaus zurück, um wenigstens die schlaue Fensterkonstruktion zu optimieren. Die bietet unten zwar ein gut eingepasstes Mückennetz, oben klafft aber über die gesamte Fensterbreite eine fingerbreite Lücke zwischen den einzelnen Scheiben - ohne Mückengitter, dafür mit Hinweisschild auf Mückisch: "Achtung Umleitung". Hervorragende Ingenieursleistung. Wer denkt sich so einen bullshit bloß aus? Gerade stehe ich mit einem Bein auf dem Schrank und mit dem anderen Bein auf dem schmalen Fensterbrett um die Fensterlücke mit Klopapier abzudichten, da geht ohne Klopfen die Tür zu meinem Zimmer auf und der Bewegungsstöhner kommt hereinspaziert.
Kein Witz! Bestimmt taucht gleich Kurt Felix auf und Paola trällert ein fröhlich Lied, während ich dem Publikum vorgeführt werde. Dieser Vollpfosten hat Zimmer 3, ich die 7. Die Räume liegen auch nicht nebeneinander oder gegenüber. Na klar, man kann sich ja mal, wenn man gerade so intensiv an den Herrn denkt, komplett im Zimmer irren. Irren ist dabei aber genau der richtige Ausdruck. Das war ein bisschen viel Wahnsinn heute. Wer weiß, ob die mich heute nacht nicht aus der Bude holen, um irgendwelche kranken Versuche mit mir zu machen.
Eines ist ganz sicher: Wenn ich morgen Früh nicht klar erfahre, was ich hier tun soll und kann, dann wird dies das kürzeste Kapitel der Reise! Sofern ich den nächsten Tag überhaupt erlebe.
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