Montag, 15. März 2010
Die Great Ocean Road
Unterwegs wird die Landschaft langsam grüner, ich komme sogar durch eine ausnahmsweise ansehnliche Ortschaft namens Port Fairy, und muss, es ist mittlerweile Montag, der 22. Februar 2010, in Warrnambool mal wieder mein Auto warten lassen. Die Zeit bis zum Termin in der Werkstatt nutze ich für etwas Sightseeing. Dabei geschieht etwas Furchtbares: Ich gerate in eine Kunstgalerie! Weiß der Teufel, wie das geschehen konnte. Am Ende muss ich sogar zugeben, dass die Warrnambool Art Gallery gar nicht so übel ist. Ein traumatisierendes Erlebnis, das mir sicher noch lang nachhängen wird.

Um 13 Uhr ist endlich der Wagen in Bearbeitung. Das gestrige Auslaufen der Kühlflüssigkeit bleibt ohne Befund. Seltsam. Und es steigert nicht gerade mein Vertrauen, dass der Wagen bis zum Ende durchhält, obwohl er gerade mal schlappe 425.000 Kilometer auf dem Tacho hat.

Alsbald ist es soweit: Denn für jeden anständigen Australienreisenden ist diese Strecke schlicht le must. Für übersättigte Dauerreisende ist die Great Ocean Road allerdings längst nicht so spektakulär wie erwartet, auch wenn sie durchaus mit tollen Aus- und Anblicken aufwartet. Steinformation oder Felsen mit diversen Löchern hatte ich ja bereits andernorts in ähnlicher Form zu Hauf' gesehen gehabt, plusquamperfektivischerart.

Wenn Sie einmal selbst schauen wollen:


Bay of Islands oder die 12 Apostel für Arme


The Grotto


London Bridge mit nur noch einem Bogen


Bei der Loch Ard Gorge

Am folgenden Tag sind endlich die weltberühmten Zwölf Apostel dran, die arm dran sind, weil es nur noch ungefähr 8,5 sind. Die Küste ist logischerweise ständiger Veränderung unterworfen, weil das Meer ununterbrochen an den Klippen nagt. Hin und wieder bricht einer der "Roten Annas" zusammen, irgendwo entsteht vielleicht ein neuer. Völlig bescheuert ist aber, dass es selbst zur Zeit der Namensgebung nur neun Apostel waren. Welcher Schwachkopf hat sich das bloß ausgedacht?


Die achteinhalb Apostel

Auf dem Parkplatz bei den Aposteln herrscht großer Andrang, obwohl weder Wochenende noch Feriensaison ist. Hier haben sie sogar Toiletten für Asiaten installiert, Modell "toilette turc". Weil die mit westlichen Schächten nicht zurechtkämen, wie mir die Reinigungsfachkraft erklärt und dabei genervt ihre Augen verdreht. Die touristische Bedeutung der Great Ocean Road wird außerdem durch Warnschilder deutlich, die an vielen Stellen der Strecke stehen:


Ach was?!

Es lebe die Nebensaison. Immerhin spielt das Wetter heute mit und das Meer verhält sich bilderbüchlich. So ist die Szenerie um die paar Steintürme ganz schön.

Zur Abwechslung fahre ich erst einmal ins Hinterland. In den Überbleibseln eines vom weiteren Kahlschlag verschonten, kühlen Regenwaldes findet sich ein weiterer Brückenweg durch teils millionen Jahre alte Pflanzenarten. Die Konstruktion ist ähnlich und doch anders als die im Valley of the Giants. Vor Allem weniger schwankend.


Otway Fly Tree Top Walk

Wasserfälle in der Nähe müssen leider links liegen bleiben, da um 17 Uhr der Leuchtturm am Cape Otway schließt. Der will auch dringend besichtigt werden. Auf der Stichstraße dorthin parken mitten im Wald lauter Touristenfahrzeuge wild in der Gegend herum. Der Grund dafür wird mir erst auf den zweiten Blick klar, denn ich hatte es eilig, konnte also nur nach vorn und nicht noch nach oben in die Bäume schauen. Dort hängen die typisch australischen Pelzknubbel in gemütlichen Astgabeln herum - freilebende Koalas. Immer noch keine Action drin, aber sie sind überall!


Ganz entzückend, diese flauschigen Ohren ...

Das verschafft mir als Alleinreisendem einen entscheidenden Zeitvorteil. Während die anderen Männer sich noch abmühen, ihre Frauen von den niedlichen Tierchen weg zu zerren, komme ich schon am Leuchtturm an. "Erster" würd' ich gern rufen, wenn der Parkplatz nicht schon voll mit lauter noch Ersteren wäre. Dieses Bild setzt sich hinter dem Ticketschalter fort: Die Anlage ist ganz nett, mir jedoch schon wieder leicht zu touristisch. Aber dafür kann der Leuchtturm ja nichts.


Am Cape Otway

Ein solches Foto mit Geländer und Meer hat die Welt bisher noch gar nicht gesehen, glaube ich. Wie dem auch sei, der Turm wurde 1848 natürlich nicht aus Jux und Dollerei errichtet, sondern weil bis dato bereits 18 Schiffe zwischen dem Kap und King Island gesunken waren. An vielen anderen Stellen dieser rauhen Küste wurde ebenfalls fleißig havariert und gesunken, weshalb sie sich den Namen shipwreck coast ehrlich verdient hat.

Anschließend führt die große Ozeanstraße über Hochebenen weiter, vorbei an Hügeln und Tälern, bis hinunter zum Ort Apollo Bay.


Kurz vor Apollo Bay

Ab hier ist die Küste weniger kliffig und die Straße führt tendenziell weiter unten am Meer entlang, wodurch sich zwar immer noch nette, aber weniger spektakuläre Ausblicke ergeben.


Sonstwo an der Great Ocean Road

Gleichzeitig werden die Orte jetzt zunehmend urbaner und touristischer, der Straßenverkehr nimmt stetig zu. Das ist nur noch von oben schön.


Teddy's Lookout bei Lorne

Je näher man schließlich Melbourne kommt, desto flacher wird die Gegend. Und dies durchaus auch im übertragenen Sinne, denn die Strecke verkommt mehr und mehr zu einem Naherholungsgebiet für die Großstadt. Am Ende versickert die einzigartige Küstenstraße in der Beliebigkeit uniformer Ortschaften. Das ist recht frustrierend. Man sollte besser anders herum fahren.

Die Great Ocean Road ist durchaus eine schöne Route, ja, gut, aber ich konnte leider nicht erkennen, warum nun ausgerechnet DIE zu den "Top 20" unter den weltweiten Reisezielen gehören soll.