Montag, 8. März 2010
Mount Gambier
Wieder einmal wache ich mitten im Nirgendwo auf und wähne mich für einen Augenblick zu Herbstanfang in norddeutsche Niederungen versetzt.


Gibt es Hügel in Worpswede?

Ein kleiner Schlenker nach Südwesten bringt mich noch einmal nach South Australia. Das ist zwar eigentlich die falsche Richtung, aber ich wollte mir die durch Vulkane geprägte Landschaft unbedingt ansehen. Statt dessen muss ich mich leider erstmal um mein Auto kümmern, denn das Automatikgetriebe schaltet nicht mehr richtig. "Das wird teuer", höre ich den Mechaniker schon sagen. Er sagt es auch, aber glücklicherweise ist nur eine Manschette undicht, so dass Getriebeöl ausgelaufen war - hoffentlich noch ohne das Getriebe zu schädigen. Dazu noch leidige Einkäufe, Internet nebst Wäschewaschen und ich könnte mich eigentlich schon wieder hinlegen.

Aber es gilt noch Programm nachzuholen. Direkt Im Ort Mount Gambier liegt beispielsweise der Blue Lake, ein echtes Faszinosum. Der See ist in einem Vulkankrater entstanden, dessen Boden unterhalb des Grundwasserspiegels liegt. Anders als in anderen Seen bildet sich hier jeden Sommer und innerhalb weniger Tage eine strahlend blaue Wasserfarbe heraus, weil infolge chemisch-physikalischer Vorgänge Tannine und Algen kontinuierlich aus den oberen Wasserschichten verschwinden und durch Absorption beziehungsweise Reflexion besonders viel vom blauen Lichtanteil zurückgeworfen wird. Je später der Sommer, desto blauer der See. Dann verschwindet das Blau genauso schnell wieder, wie es entstanden war. In den übrigen Jahreszeiten ist der See grün-gräulich, wie andere Gewässer auch.


Der is' wirklich blue, der lake

Für den Blue Lake ist der Sommer also noch nicht vorbei, wie unschwer zu erkennen ist. Ein toller Anblick.

Ebenfalls in Mount Gambier befindet sich das Umpherston Sinkhole, entstanden durch eine kollabierte Höhlendecke. Leicht saures Regenwasser (durch Kohlendioxid aus der Atmosphäre) hat im Laufe der Zeit überall in der Gegend den Kalkstein allmählich aufgelöst und Höhlen entstehen lassen. Manche davon liegen heute oberhalb, andere unterhalb des Grundwasserspiegels - ein El Dorado für Höhlentaucher. In dem Umpherston Senkloch ist später ein illuminierter, öffentlicher Garten angelegt worden.

Mit Bananen sei ich dort der King, hatte mir der Getriebemechaniker noch gesteckt. Nach Einbruch der Dunkelheit sollen nämlich Fuchskusus hier ihr Unwesen treiben und sich füttern lassen. Da sitze ich nun mit meiner Bananenstaude in dem großen Loch herum, warte stundenlang auf den Sonnenuntergang, inhaliere währenddessen die fiesen Holzschutzmitteldämpfe des nahen Sägewerkes und nicht ein bloody possum gibt sich zu erkennen.


Umpherston Sinkhole

Im Visitor Centre hatten sie mich schon gewarnt, dass die Tierchen bereits reichlich überfüttert seien. Leider hatten sie Recht. Zu allem Überfluss muss ich jetzt im Dunklen einen Schlafplatz vor der Ortschaft suchen und laufe bei der Fahrerei ständig Gefahr, irgendein Tier zu überfahren. Aber es geht gut.

Das Frühstück noch nicht fertig zerkaut, mache ich mich am folgenden Tag gleich auf, den Mount Schank zu erklimmen, eines hoffentlich dauerhaft erloschenen Vulkans. In der schwindelerregenden Höhe von 158 m üNN lässt er sich auf seinem Kraterrand vollständig umrunden, toller Blick inklusive. Im Hintergrund ist sogar wieder das Meer zu sehen. Endlich.


Am Rande des Vulkans

Im Schlund des Vulkans zu stehen, sieht von oben allerdings weitaus spannender aus, als es am Grund dann ist. Egal, in wenigen Kilometern wartet ja schon die nächste Attraktion auf mich, ein Bad in 15 Grad kaltem Wasser. Noch bevor Antwort auf die Frage, ob ich noch alle Latten am Zaun habe, gefunden ist, bin ich bereits ausgefein für die norddeutschen Schilfteiche namens Ewens Ponds verkleidet.


Chic wie immer

Diese Teiche werden über Quellen aus dem gleichen Grundwassersystem gespeist wie der Blue Lake, von wo aus das Wasser ein paar hundert Jahre bis hierher braucht und schließlich glasklar zutage tritt. Mit einer leichten Strömung kann man sich dann über drei hintereinanderliegende, bis zu elf Meter tiefe Bassins und deren flache Verbindungskanäle treiben lassen. Meine Surfgarnitur ist eigentlich zu dünn für diese Wassertemperatur, aber die tolle Landschaft unter Wasser lässt mich die Kälte für ein paar Augenblicke vergesssen.


In einem Kanal der Ewens Ponds
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Nicht viel weiter liegen, direkt an der Grenze zu Victoria, die Piccaninny Ponds. Von oben ist wieder nur ein Schilfteich zu sehen. Unter der Oberfläche aber hat durch den Kalksandstein nach oben drängendes Grundwasser in Tausenden von Jahren eine Kammer und eine Höhle aus dem Gestein herausgespült, die an einer Stelle bis über 80 Meter in die Tiefe reichen.

Um in diesem Teich tauchen oder auch nur schnorcheln zu dürfen, braucht man eine Genehmigung vom Department Of Conservation oder kurz: DOC, das einem dann genau festgelegte, einstündige Tauchslots zuweist, damit maximal 8 Leute gleichzeitig im Wasser sind, um die empfindliche Unterwasserwelt möglichst wenig zu stören. Der Gedanke ist gut, die Organisation aber komplett Käse, denn das DOC schließt pünktlich zum Wochenende und lässt somit ahnungslose Touristen wie Wochenendler außen vor. Gut, diesmal war ich sogar rechtzeitig da, aber nur um zu erfahren, dass ich selbst zum Schnorcheln einen "Buddy" bräuchte, also einen Tauchpartner. Was für ein Unsinn.

Und auch gar nicht einzusehen. Kackfrech fahre ich jetzt also trotzdem hin. Niemand zu sehen. Na bitte. Schnell steige ich in meinen nassen, eiskalten Neoprenanzug und gleite geschmeidig wie ein Zitteraal von der Badeplattform. Das Wasser ist zwar etwas wärmer, doch die Enttäuschung ist groß: Der Teich ist voller Schwebeteilchen, die der starke Wind aufgewühlt haben muss. Von wegen glasklares Wasser mit Sichtweiten über 40 Meter. Pah. Aber halt, war da nicht noch ein zweites Becken? Und tatsächlich, hinter dem Schmodderschleier tut sich eine unfassbare Unterwasserlandschaft auf. Links und rechts steile Hänge, oben noch mit Schilf, dann mit Gräsern bewachsen, unten felsig, und in der Tiefe ein unergründliches, intensives Blau. Und erst der Blick von unten nach oben! Das Wasser ist so klar, als würde man Opel fahren, denn Opel fahr'n is' ja wie wennze fliechst. Ein Hammer!


In den Piccaninny Ponds
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An manchen Stellen kann man bis auf den Grund sehen. Die unterseeische Zauberwelt ist wirklich atemberaubend. Das ist wohl auch der Grund, warum ich gelegentlich zum Luftholen an die Oberfläche muss. Ein dort im Schilf brütender, schwarzer Schwan schaut mich zunächst leicht irritiert an, lässt sich ansonsten aber genauso wenig stören, wie die zwei dicken, fetten Aale, die mir unterwasser begegnen.

Ganz beseelt entsteige ich den Fluten und kann das eben Gesehene kaum fassen - genausowenig wie mein Glück, denn es dauert nicht lang und ehrliche Slotinhaber erscheinen um das Gleiche zu erleben. Zwischen den jeweiligen Tauchslots lässt das DOC nämlich immer eine Pause von einer Stunde. Genau die hatte ich zufällig erwischt.