Montag, 1. Februar 2010
Durch die Nullarbor-Hochebene
Tatsächlich lag ich nicht falsch mit meiner Einschätzung, aber VIEL Straßenverkehr ist für einen Deutschen doch noch etwas ganz Anderes. Die Befürchtung, permanent von den Roadtrains an die Seite gedrängt zu werden, bestätigt sich gar nicht. Statt dessen kommen mir bei Kilometer 165 drei Enten entgegen. Nicht das Geflügel, sondern die guten alten 2CV's. Es ist schön, mal wieder Autos mit Charakter zu sehen. Und wenn sogar die diese Strecke geschafft haben, wo soll dann die besondere Schwierigkeit liegen?

Kurz hinter Balladonia wird es bereits steppiger und es beginnt der längste, gerade Straßenabschnitt Australiens. Auf 146,6 Kilometern keine einzige Kurve. Naja, das klingt beeindruckender, als es ist. So weit kann niemand sehen, außerdem wären da noch die Erdkrümmung sowie kleinere Anhöhen und Senken. Die Geradlinigkeit lässt sich also kaum erfahren.


Auf dem Eyre Highway

Da finde ich das Zeitphänomen, das ich vorher schon unterbewusst wahrgenommen habe, wenigstens ein bisschen aufregender. Nunmehr ist nämlich unübersehbar, dass die Sonne spürbar früher untergeht. Da ich gegen die Zeit fahre, erwischt sie mich mitten im Nirgendwo. Nach wie vor gilt, das Nachtquartier deutlich vor Einbruch der Dunkelheit zu beziehen, um keines der vielen Tiere zu überfahren, die besonders nach Sonnenuntergang aktiv werden.


Trampeltier, Känguruh und, na, wer weiß es?

Also nutze ich die erstbeste Gelegenheit im absoluten Nichts und stelle meinen Wagen abseits des Highways einfach mitten in die Pampa. Eine gute Wahl. Hier scheint noch nie ein Tourist geparkt zu haben. Der örtliche Wachhabende versagt völlig im Dienst. Ich werde leichtsinnig und lasse eine Autotür für zehn Sekunden offen stehen. Normalerweise hätten sich in dieser Zeitspanne mehr Fliegen innerhalb des Wagens versammelt, als dann noch auf dem Rest des Kontinents übrig geblieben wären. Hier aber geschieht gar nichts. Phantastisch!


Kurz vor dem 126. Längengrad

Die Landschaft am Eyre Highway verändert sich gaaaaanz langsaaaaaam - in Anbetracht der durchfahrenen Strecke aber eigentlich so gut wie gar nicht. Je weiter man Richtung Osten kommt, desto mehr schwindet allerdings das woodland, bis schließlich null Bäume mehr vorhanden sind. Dort erhielt die Nullarbor Plain offensichtlich ihren Namen. Noch davor, am Madura Pass, befindet man sich plötzlich direkt am Rand der so genannten Hochebene und fährt in die hier weit ausgebreitet vor einem liegende Tiefebene. Das ist ein wirklich toller Anblick, auch wenn das hier nicht so 'rüberkommt:


Blick vom Madura Pass auf die Roe Tiefebene

Ansonsten bietet der Highway bisher nicht viel Spannendes. Immerhin könnten gelangweilte Golfer auf dem weltgrößten Golfplatz spielen, der zwischen Kalgoorlie und Ceduna liegt. Die 18 Löcher sind auf die etwa 1400 Kilometer lange Strecke verteilt. Ich glaube es klingt witziger als es ist, ein Loch zu spielen und dann vielleicht 100 Kilometer zum nächsten fahren zu müssen.

Dann wird es aber lustig, weil in dem vergleichsweise schmalen Streifen zwischen Caiguna und der Grenze zu South Australia mal wieder Gelegenheit für eine erneute Zeitumstellung ist, jucheee. Hier wären die Uhren allen Ernstes für lächerliche 350 Kilometer um 45 Minuten vorauszustellen.

Ich sage hier noch nichts.

Kurz vor Eucla lässt sich am Horizont endlich wieder das Meer erspähen. Ach, da geht mir gleich das Herz auf. Genauso wie meine Hose, weil ich auf den letzten Drücker alles Obst und Gemüse in mich hineingestopft habe, um es nicht an der Quarantäne-Station an der nahen Grenze zu South Australia wegwerfen zu müssen. Mit dieser Maßnahme wollen sie verhindern, dass Fruchtfliegen sich verbreiten. Toll, dass einem erst dort erklärt wird, dass in Richtung Osten das Obst und Gemüse nicht vor Ceduna entsorgt werden muss.


Witzbolde

Hier führt die Straße wieder hinauf auf das etwa 80 Meter hohe Nullarbor-Plateau und bietet einen tollen Ausblick auf die Große Australische Bucht nebst Eucla NP mit seinen weißen Dünen. Natürlich musste ich da hin. Das Wasser des Southern Ocean war mittlerweile angenehm temperiert. Dennoch habe ich mich nicht hineingetraut, weil hier allmählich das Reich der Haie beginnt. 200 Kilometer weiter wird bereits gewarnt, nur in mit Netzen oder Gittern gesichterten Strandabschnitten zu baden. So dringend muss ich dann doch nicht im Wasser planschen.


Im Eucla NP

Gleich hinter der Grenze reicht die Hochebene direkt bis an das Meer heran. Von mehreren Aussichtspunkten können Reisende gut den ein oder anderen Blick auf den Great Australian Bight Marine Park werfen.


fast im Eucla NP

Dieses Schutzgebiet wurde eingerichtet, weil sich hier zur Paarungszeit bis zu 170 Südliche Glattwale gleichzeitig versammeln. Beim Head of Bight muss es besonders spektakulär sein, Wale zu beobachten, weil sie dort ganz nah an das Ufer herankommen. Leider ist die Saison maximal von Juni bis Oktober.

Kurz vor dem Nullarbor Roadhouse kündigt ein Schild das westliche Ende der baumlosen Ebene an.


von wegen!

Das westliche Ende. Ich bin verwirrt. Ein erneuter Blick auf die Karte bestätigt, dass ich die ganze Zeit bereits am südlichen Ende der Nullarbor Plain entlang gefahren bin. Demnach dürfte eigentlich nur noch das östliche Ende kommen. Aber Ost oder West, Links oder Rechts, das sieht man hier wohl nicht mehr so eng, seit das für seine Rechtslinks-Schwäche bekannte Geschlecht im Ministerium für Straßenverkehr mitarbeiten darf. Sorry, Du, das ist mir jetzt so 'rausgerutscht. Doch selbst wenn die Betonung auf "baumlos" liegt, dann steht das Schild trotzdem falsch.

Wie dem auch sei, das Nullarbor Roadhouse ist Ausgangsort für einen Abstecher ins Hinterland.


Nullarbor Roadhouse

Nach etwa 11 Kilomter Fahrt über eine holperige Strecke tauchen aus dem Nichts die drei Murrawijinie Caves auf. Wobei der Begriff "auftauchen" reichlich übertrieben ist. Denn eigentlich ist das Vorhandensein der Löcher im Boden erst wenige Meter vor einem möglichen Sturz in die Tiefe ersichtlich.


Höhleneingang Zwo

Wenn die Decken der so genannten Höhlen nicht irgendwann eingeztürzt wären, hätten aus den simplen Löchern ordentliche Tropfsteinhöhlen werden können. Aber neeeien, die Jugend muss ja wieder ungestüm voranpreschen und nu' hammwa den Salat. Dafür bieten sie Unterschlupf für allerlei Getier. Wer das nicht sehen kann, der riecht es zumindestens.

Ein Rundumblick in die karge Landschaft zeigt, dass vom Roadhouse schon nichts mehr zu sehen ist. Eigentlich gibt es sogar überhaupt nichts zu sehen. West, Ost, Süd oder Nord - alle Ausblicke sind völlig identisch. Ein Paradies für alle Mitarbeiterinnen des hiesigen Straßenverkehrsministeriums.


Das Nichts

Nüscht als Strauchwerk. Das fasziniert mich weit mehr als die Löcher im Boden. Endlose Weite mit nichts, an dem sich das Auge festhalten könnte. Endlich, danach habe ich gesucht, die inkarnierte Unendlichkeit, bloß ohne carne, das absolute Nichts. Da isses! Fast so schön wie das Meer, nur einsamer. Nachdem ich diese Einöde nun gesehen habe, könnte ich eigentlich nach Hause fahren.

Oder ich führe zur Abwechslung nur etwa 370 Kilometer auf Schotterpisten in nordöstlicher Richtung weiter, um mich dort verstrahlen zu lassen, wo die Engländer in den 50er Jahren Atombombentest lanciert haben. Sehr wahrscheinlich haben sie zuvor die dort lebenden Aboriginals um Erlaubnis gebeten. Ansonsten hätte sich irgendwo in Wales bestimmt auch ein schönes Testgelände finden lassen.

Tatsächlich kommt auch das ÖSTLICHE Ende der Nullarbor Plain schneller als erwartet. Nur wenige Kilometer weiter in diese Richtung hat es sich bereits ausgeflacht und ausgenullbäumt. Geradezu urplötzlich tauchen Bäume zwischen den Sträuchern auf und die Landschaft wird hügelig. Bald ist es dann gänzlich vorbei mit der Einzigartigkeit und Kulturwüste prägt wieder das Landschaftsbild.

Ein paar Schlenker noch, und schon bin ich in Ceduna angekommen, dem Ende des wüsten Teils des Eyre Highways. Hier ist es übrigens zweieinhalb Stunden später als in Western Australia, und zwar direkt ab Border Village. Die albernen 45 Minuten zwischendrin sind wirklich der Gipfel des absoluten Schwachsinns. In South Australia gilt nun, im Gegensatz zu WA, die Sommerzeit, während es im, auf etwa derselben Länge liegenden und ebenfalls sommerzeitlosen, Northern Territory nur 1,5 Stunden sind. Jaaaa, wirklich sinnvoll. Das hat man davon, wenn im Föderalismus profilneurotischen Gebietsfürsten erlaubt wird, unbedingt etwas anders zu machen. Kommt mir irgendwie bekannt vor.

Zusammengefasst ist diese Strecke wirklich keine große Besonderheit, zumindestens nicht nach der vorhergehenden Panikmache. Sie ist nur ziemlich lang, sonst nichts. Wenn man irgendwo liegen bleibt, ist das Problem natürlich deutlich größer als in irgendeiner Innenstadt, aber das war es dann auch schon. Glücklicherweise ist mir ein derartiges Abenteuer erspart geblieben. Mit dem Wetter habe ich zugegebenermaßen auch Glück gehabt, es war noch nicht einmal glühend heiß, sondern blieb die ganze Fahrt über bei gut erträglichen Temperaturen und erfrischendem Wind.

Ähnliche Einöde und nicht enden wollende Straßen gab es auch schon andernorts. Der echte Nullarbor-Teil war aber wirklich faszinierend und es gab unterwegs durchaus ein paar schöne Ecken.