Mittwoch, 30. Dezember 2009
Rottnest und der Rest
Um 7.30 Uhr geht das erste Schiff nach Rottnest Island. Die Insel selbst ist nicht zu auszumachen, denn der Wind hat über Nacht den Feuerrauch über das offene Meer getrieben und Rottnest vollständig eingehüllt. Etwa eine halbe Stunde später legt die Fähre an. Das 11 x 4,5 Kilometer große Eiland ist im Wesentlichen autofrei. Neben meiner Meinung nach völlig überflüssigen Bussen ist also der Drahtesel das Hauptfortbewegungsmittel. Wer sein Rad mit der Fähre zusammen gebucht hat, nimmt dieses noch am Anleger in Empfang und kann sofort losradeln.

Wie jetzt? Das ist alles? Auf den ostfriesischen Inseln müsste man dagegen die Steuererklärungen der vergangenen drei Jahre vorlegen und eine 40-seitige Haftungsübernahmeerklärung in Anwesenheit eines Notars unterschreiben, bevor man erfährt, dass man mit dem zu leihenden Rad nicht am Strand und nicht zu schnell und am Besten gar nicht fahren soll.

Hier scheint das ja trotzdem zu funktionieren. Eventuell sollten die Ostfriesen sich da mal entspannen lernen und Sand im Getriebe als natürlichen Teil des Geschäfts betrachten. Vielleicht aber sind deren Räder einfach nur schlecht.

Nicht lang, und der Besucher wird unweigerlich auf mindestens eines der possierlichen Tierchen treffen, denen die Insel ihren Namen verdankt. Als der niederländische Seefahrer Willem de Vlamingh im Jahre 1696 nämlich als erster Weißer die Insel betrat, hielt er die dort zahlreich lebenden Beuteltiere wenig phantasievoll für zu groß geratene Ratten. Also nannte er die Insel Rotte-nest, Rattennest. Heute werden die etwa katzengroßen Minikänguruhs in Anlehnung an ihren Aboriginal-Namen als Quokkas bezeichnet.


Ein "Quokka" - keine Ratte!

Der Hauptleuchtturm in Rottnests Mitte steht leider auch im Rauch. Normalerweise kann ich so einen Turm nicht unerklommen stehen lassen, selbst wenn Text und Inhalt der obligatorischen Führungen auf Dauer nicht viel Abwechslung versprechen. Gut, eigentlich ebenso wie die Leuchttürme selbst. Aber die finde ich ja toll und Fernblick nutzt sich für mich sowie nie ab.


Wadjemup Lighthouse

Mit Fernsicht ist heute allerdings eher nicht zu rechnen. Also verschiebe ich die Besichtigung auf später und fahre erst einmal weiter. Leider weiß ich jetzt nicht nur, woher Pauschaltourist Golding damals die Inspiration für den Titel zu seinem Buch Lord Of The Flies hatte, sondern auch, was ich vergessen habe mitzunehmen - die Fliegenklatsche. Wo der Wind schwach wird, übernehmen wieder die Fliegen. Irgendetwas bläst einem jedenfalls immer ins Gesicht. Diese Parasiten schaffen es tatsächlich, selbst so ausgeglichene Gemüter wie mich die Wände hoch zu treiben. In den vielen karibischen Buchten, die die Insel zu bieten hat, halte ich es deshalb nie lang aus und zum Baden ist es zu kalt. Schade, unter Wasser wäre es ziemlich verlässlich fliegenfrei. Umso mehr freut es mich, als ich den äußersten Westen der Insel erreiche. Der Wind ist zwar frisch, bläst dafür aber zu kräftig für die Fliegen. Das Meer ist kabbbelig und der Rauch hat sich zumindestens hier im Westen bereits verzogen.


Cape Vlamingh

Gegen Mittag hat sich der Rauch dann vollständig verflüchtigt und erlaubt bei der eiligst nachgeholten Führung einen Blick vom Leuchtturm über Insel und Meer, mit dem Feldstecher sogar bis nach Perth.


Plötzlich gibt's wieder Fernsicht

Und da die Sonne jetzt wieder ungehindert einstrahlen darf, kommen die schönen Buchten von Rottnest Island endlich zur angemessenen Geltung.


Ostküste der Insel

Die interessante Besichtigung einer Küstenbatterie aus dem
II. Weltkrieg nehme ich auch noch mit.


Oliver Hill Battery

Am Ende fordern 30 Kilometer Radelei über hügelige Dünenlandschaft der Insel aber ihren Tribut vom bürogestählten Körper. Also greife ich, wie heutzutage jeder Sportler, auf Drogen zurück und bringe mich mit Kaffee und Karottenkuchen wieder auf Vordermann. Zu ähnlichem Zwecke findet sich wohl auch Kollege Quokka in dem Café ein. Meine mittlerweile auf die Haut vulkanisierte Hose verspricht dem Tier rein witterungsmäßig leider mehr Nahrungsreste, als der Inhalt ihrer Taschen trotz genauen Nachsehens zu halten vermag.


Wer kann diesen Augen widerstehen?

Also werde ich schwach und halte mich als guter Tourist mit einem Stückchen meines Kuchens streng an die australische
don't feed-policy.


Na gut, weil du's bist ...

Während der Rückfahrt zum Festland denke ich mir, ich sollte im Nachhinein ein Dankesschreiben an die hirnverbrannte Buchungszentrale schicken. Ein Tag reicht nämlich völlig für die doch recht touristische Insel. Die Ferienhäuser sind reine Zweckbauten, wie in Zonensiedlungen zusammengefasst und wirken eher schäbig. Sicherlich hätte ich es dort trotzdem auch drei Tage aushalten können, mit der entsprechenden Muße.

Die habe ich aber selbstredend nicht. Sowie ich der Fähre entstiegen bin, besteige ich meine Droschke und fahre ein letztes Mal am großstädtischen Moloch Perth vorbei, diesmal in Richtung Nordosten. Denn einmal werd' ich nur noch wach, heißa dann ist Klostertach!

Unterwegs tönen wieder die so genannten Schadengrillen zum geöffneten Fenster herein. Dieses Geziefer produziert ein konstantes Klackgeräusch, ähnlich der Uhren einer Plastikmarke aus der Schweiz, nur schneller und lauter, wobei Letzteres kaum noch möglich ist. Das Lustige ist dabei, dass die Grillen sich untereinander abstimmen. Egal in welcher Geschwindigkeit man an ihnen vorbeifährt, man hört kilometerweit immer das gleiche Klacken in derselben Frequenz. Das kann Fahrer betagter Wagen ganz schön nervös machen.