Dienstag, 29. Dezember 2009
Tag 9
cia, 05:05h
Nee, Freitag, 25. Dezember 2009. Wie jeden Morgen wache ich auch heute nicht freiwillig um viertel vor Fünf auf. Sowieso von Alpträumen gebeutelt, geben mir geflügelte Heerscharen der Hölle jetzt den Rest. Wie jeden Morgen erwachen nämlich mit dem ersten Tageslicht hunderte von Kakadus in den zu nahen Bäumen und beginnen lautstark das Programm des Tages zu diskutieren.
Oft herrscht Uneinigkeit darüber, ob sie zuerst einen Acker heimsuchen und später einen Patroullienflug entlang der Reviergrenzen machen sollen, oder umgekehrt. Dabei geben sie leider alles andere als schönen Gesang von sich, sondern vielmehr ohrenbetäubendes Gekrächze. Beispielsweise bemerkt Einer, sie könnten mal wieder diesen weißen Kombi, der da schon über eine Woche herumsteht, zu Übungszwecken für's Zielkacken nutzen. Das sei doch ein alter Hut, wirft der Nächste ein, man solle sich langsam mal neue Ziele ausdenken. Ein Anderer korrigiert, der Wagen sei sowieso schon lang nicht mehr weiß. Ein Weiterer schlägt vor, weil der Fahrer des Wagens die Fenster leichtsinnigerweise einen Spalt breit offen gelassen habe, ob man sich nicht vielleicht auf diese etwas anspruchsvollere Aufgabe stürzen wolle.
So geht das gut und gern eine Stunde lang und strapaziert meine Tierliebe bis auf das Äußerste. Bisweilen kochen die erhitzten Gemüter gar über und es entsteht solcher Aufruhr, dass Fenster zu bersten drohen. Am Abend geht das Theater übrigens wieder von vorn los, wenn die Kakadus ihren Tag mit einem Abschlussgespräch analysieren.
Nachdem ich nun also wach bin, muss ich erstmal die traumatisierende Vorabendveranstaltung verarbeiten. Mehr für die Mönche als für mich bin ich gestern Abend zur Spätvorstellung der vermutlich menschenleeren Weihnachtsmesse in die Abbey Church gegangen. Das wäre gar nicht nötig gewesen, denn mit etwa 50 Leuten war die halbe Gemeinde hier versammelt. Die Veranstaltung plätscherte sogar für einen Unkatholen ganz angenehm dahin, als ich leider, gerade in Gedanken die weitere Reiseroute durchgehend, vom Satzfetzen "... and now let us show each other a sign of peace" in die harte Realität zurückgeholt wurde. Mein Frühwarnsystem hat erneut wie 'ne Eins funktioniert, denn plötzlich gerieten die wildfremden Kirchgänger in Bewegung um sich gegenseitig die Hände zu reichen. Auch mir. Da war für mich der Ofen schon wieder aus - da setzt man sich extra in die letzte Reihe und wird trotzdem vom Animateur zum Mitmachen genötigt.
Aber es gab kein Entrinnen, ohne dass ich einen Eklat provoziert hätte. Es hat ja schon gereicht, dass ich kein Geld für den Klingelbeutel dabei hatte. Glücklicherweise blieb es bei diesem Grenzübertritt. Nach gut einer Stunde war das Spektakel vorbei und ich fiel kurz darauf erschöpft ins Bett. Von Weihnachtsstimmung aber keine Spur. Kaltes Wetter und frühe Abende sind einfach Grundvoraussetzung für des Mitteleuropäers weihnachtliches Gemütlichkeitsempfinden.
Den weiteren Vormittag verbringe ich ansonsten mit extrem weihnachtlichem Aroundhanging, als es gegen 11 Uhr an meiner Tür klopft. Maria hilf, sie kommen mich holen! Ich zucke erschrocken zusammen und wähne mich bereits im Raumschiff der Wahnsinnigen an sinistre Maschinen angeschlossen. Füße, Hände und Kopf in einer Sitzapparatur fixiert, laufen aus sämtlichen Körperöffnungen spiralförmige Kabel zu einem Aparillo, wo der Bewegungsstöhner gerade dabei ist, mich unter elendigem Geschnaufe an die Kontakte anzuschließen. Noch vor den eigentlichen Versuchen machen sich spinnenartige OP-Roboter daran, mit Löffel und Gabel meine Augäpfel aus ihren Höhlen zu schälen, so dass sie nur noch vom Sehnerv gehalten aus meinem Schädel hängen. Weiß der Teufel wozu das gut sein soll, aber es sehe einfach klasse aus, erklärt mir eine der hageren alten Schachteln in ihrem geblümten OP-Kittel.
Am Ende siegt wider alle Vernunft die Neugier und ich öffne todesmutig die Pforte zu meiner Kammer. Gebenedeiht sei der heilige Okolythos, es ist nur Dom Christopher! Höflich übersieht er den Standventilator, den ich zu meiner Verteidigung schlagfertig in den Händen halte und lädt mich zur Feier des Tages auf einen Umtrunk in die so genannte Lounge des Guesthouses ein, denn die Australier feiern erst heute Weihnachten. Das ist toll, so darf ich mich gleich noch einmal beim Weihnachtsmann anstellen. Und nach dem Schreck in der Morgenstunde kann ich jetzt einen ordentlichen Schluck vertragen.
Tatsächlich haben die Geistlichen hochgeistige Spiritualiosien in der Lounge aufgefahren, wo schon alle Mönche und Postulanten, Volontäre, Organistin und Köchin sowie weitere Gäste versammelt sind. Während ich meinen Kelch mit der gebotenen Demut bis zum Rand mit Whisky fülle, platzen bereits die ersten Knallbonbons und geben luschtigen Plastiknippes nebst papyresken Krönchen frei, die sich selbst die ehrwürdigsten unter den Mönchen nicht zieren aufzusetzen.
Weihnachtsfeier in der Lounge des Guesthouses
Zu allem Überfluss gibt es tatsächlich eine Bescherung. Ich bekomme ein Buch mit Kurzgeschichten australischer Autoren geschenkt. Das is' man ganz ein feinen Zuch von die Mönche. Wie es der Zufall so will, handelt gleich die erste Geschichte von einer Mutter im Outback, die die ganze Nacht wachbleibt, um ihre Kinder vor einer Schlange im Haus zu beschützen.
Ein Gast-Ehepaar ist dermaßen beglückt, an all dem teilnehmen zu dürfen, dass es schon fast weh tut: "Oh, it's an honour, it's an honour", betont Muddi voll unterwürfiger Freude. Mein Gott, wenn die wüsste, dass sogar solche Leute wie ich hier sein dürfen, dann würde sie das vielleicht etwas entspannter sehen.
Um 12.15 Uhr ist es wieder Zeit zum Mittagessen, wobei ich den Whisky erst einmal mit Rotwein verdünne. Doch im Anschluss geht das Weihnachtsgelage fröhlich weiter. Die Stimmung ist entsprechend ausgelassen. Zwei Stunden später bin ich schön abgefüllt und ziehe mich bei gefühlten 100 Grad Außentemperatur plus Windstille in meine Bude zurück.
Zum Abendessen veranstaltet der innerste klerikale Zirkel, also wirklich nur die Mönche und Postulanten, ein Barbeque in legerem Outfit mit Shorts und T-Shirts. Selbst daran lassen sie mich teilnehmen und gelegentlich durchaus weltliche Äußerungen aufschnappen. Immer noch komplett matschig, halte ich mich jetzt aber lieber an Softdrinks. Mit Einbruch der Dunkelheit ist dann auch hier Feierabend.
Und schon ist Weihnachten vorbei. Es hat gar nicht weh getan.
Am zweiten Weihnachtsfeiertag gilt bereits wieder business as usual. Den Tag verbringe ich mit Fotos sortieren, etwas Buchhaltung und gepflegtem Herumhängen. Zum Schreiben fehlt mir der Antrieb. Der erste Abschnitt des blogs ist auch noch nicht fertig und die holde Leserschaft sitzt mir unentwegt im Nacken wie die Heilige Inquisition. Zur Entspannung gehe ich mich erst einmal im Swimmingpool abkühlen. Niemand sonst ist da - herrlich.
New Norcia Pool
Und morgen ist noch ein Tag frei, weil Sonntag ist. Entsetzlich, dieses Nichtstun. Da freue ich mich doch allen Ernstes schon wieder auf die Arbeit. Irgendetwas stimmt nicht mit mir.
Oft herrscht Uneinigkeit darüber, ob sie zuerst einen Acker heimsuchen und später einen Patroullienflug entlang der Reviergrenzen machen sollen, oder umgekehrt. Dabei geben sie leider alles andere als schönen Gesang von sich, sondern vielmehr ohrenbetäubendes Gekrächze. Beispielsweise bemerkt Einer, sie könnten mal wieder diesen weißen Kombi, der da schon über eine Woche herumsteht, zu Übungszwecken für's Zielkacken nutzen. Das sei doch ein alter Hut, wirft der Nächste ein, man solle sich langsam mal neue Ziele ausdenken. Ein Anderer korrigiert, der Wagen sei sowieso schon lang nicht mehr weiß. Ein Weiterer schlägt vor, weil der Fahrer des Wagens die Fenster leichtsinnigerweise einen Spalt breit offen gelassen habe, ob man sich nicht vielleicht auf diese etwas anspruchsvollere Aufgabe stürzen wolle.
So geht das gut und gern eine Stunde lang und strapaziert meine Tierliebe bis auf das Äußerste. Bisweilen kochen die erhitzten Gemüter gar über und es entsteht solcher Aufruhr, dass Fenster zu bersten drohen. Am Abend geht das Theater übrigens wieder von vorn los, wenn die Kakadus ihren Tag mit einem Abschlussgespräch analysieren.
Nachdem ich nun also wach bin, muss ich erstmal die traumatisierende Vorabendveranstaltung verarbeiten. Mehr für die Mönche als für mich bin ich gestern Abend zur Spätvorstellung der vermutlich menschenleeren Weihnachtsmesse in die Abbey Church gegangen. Das wäre gar nicht nötig gewesen, denn mit etwa 50 Leuten war die halbe Gemeinde hier versammelt. Die Veranstaltung plätscherte sogar für einen Unkatholen ganz angenehm dahin, als ich leider, gerade in Gedanken die weitere Reiseroute durchgehend, vom Satzfetzen "... and now let us show each other a sign of peace" in die harte Realität zurückgeholt wurde. Mein Frühwarnsystem hat erneut wie 'ne Eins funktioniert, denn plötzlich gerieten die wildfremden Kirchgänger in Bewegung um sich gegenseitig die Hände zu reichen. Auch mir. Da war für mich der Ofen schon wieder aus - da setzt man sich extra in die letzte Reihe und wird trotzdem vom Animateur zum Mitmachen genötigt.
Aber es gab kein Entrinnen, ohne dass ich einen Eklat provoziert hätte. Es hat ja schon gereicht, dass ich kein Geld für den Klingelbeutel dabei hatte. Glücklicherweise blieb es bei diesem Grenzübertritt. Nach gut einer Stunde war das Spektakel vorbei und ich fiel kurz darauf erschöpft ins Bett. Von Weihnachtsstimmung aber keine Spur. Kaltes Wetter und frühe Abende sind einfach Grundvoraussetzung für des Mitteleuropäers weihnachtliches Gemütlichkeitsempfinden.
Den weiteren Vormittag verbringe ich ansonsten mit extrem weihnachtlichem Aroundhanging, als es gegen 11 Uhr an meiner Tür klopft. Maria hilf, sie kommen mich holen! Ich zucke erschrocken zusammen und wähne mich bereits im Raumschiff der Wahnsinnigen an sinistre Maschinen angeschlossen. Füße, Hände und Kopf in einer Sitzapparatur fixiert, laufen aus sämtlichen Körperöffnungen spiralförmige Kabel zu einem Aparillo, wo der Bewegungsstöhner gerade dabei ist, mich unter elendigem Geschnaufe an die Kontakte anzuschließen. Noch vor den eigentlichen Versuchen machen sich spinnenartige OP-Roboter daran, mit Löffel und Gabel meine Augäpfel aus ihren Höhlen zu schälen, so dass sie nur noch vom Sehnerv gehalten aus meinem Schädel hängen. Weiß der Teufel wozu das gut sein soll, aber es sehe einfach klasse aus, erklärt mir eine der hageren alten Schachteln in ihrem geblümten OP-Kittel.
Am Ende siegt wider alle Vernunft die Neugier und ich öffne todesmutig die Pforte zu meiner Kammer. Gebenedeiht sei der heilige Okolythos, es ist nur Dom Christopher! Höflich übersieht er den Standventilator, den ich zu meiner Verteidigung schlagfertig in den Händen halte und lädt mich zur Feier des Tages auf einen Umtrunk in die so genannte Lounge des Guesthouses ein, denn die Australier feiern erst heute Weihnachten. Das ist toll, so darf ich mich gleich noch einmal beim Weihnachtsmann anstellen. Und nach dem Schreck in der Morgenstunde kann ich jetzt einen ordentlichen Schluck vertragen.
Tatsächlich haben die Geistlichen hochgeistige Spiritualiosien in der Lounge aufgefahren, wo schon alle Mönche und Postulanten, Volontäre, Organistin und Köchin sowie weitere Gäste versammelt sind. Während ich meinen Kelch mit der gebotenen Demut bis zum Rand mit Whisky fülle, platzen bereits die ersten Knallbonbons und geben luschtigen Plastiknippes nebst papyresken Krönchen frei, die sich selbst die ehrwürdigsten unter den Mönchen nicht zieren aufzusetzen.
Weihnachtsfeier in der Lounge des Guesthouses
Zu allem Überfluss gibt es tatsächlich eine Bescherung. Ich bekomme ein Buch mit Kurzgeschichten australischer Autoren geschenkt. Das is' man ganz ein feinen Zuch von die Mönche. Wie es der Zufall so will, handelt gleich die erste Geschichte von einer Mutter im Outback, die die ganze Nacht wachbleibt, um ihre Kinder vor einer Schlange im Haus zu beschützen.
Ein Gast-Ehepaar ist dermaßen beglückt, an all dem teilnehmen zu dürfen, dass es schon fast weh tut: "Oh, it's an honour, it's an honour", betont Muddi voll unterwürfiger Freude. Mein Gott, wenn die wüsste, dass sogar solche Leute wie ich hier sein dürfen, dann würde sie das vielleicht etwas entspannter sehen.
Um 12.15 Uhr ist es wieder Zeit zum Mittagessen, wobei ich den Whisky erst einmal mit Rotwein verdünne. Doch im Anschluss geht das Weihnachtsgelage fröhlich weiter. Die Stimmung ist entsprechend ausgelassen. Zwei Stunden später bin ich schön abgefüllt und ziehe mich bei gefühlten 100 Grad Außentemperatur plus Windstille in meine Bude zurück.
Zum Abendessen veranstaltet der innerste klerikale Zirkel, also wirklich nur die Mönche und Postulanten, ein Barbeque in legerem Outfit mit Shorts und T-Shirts. Selbst daran lassen sie mich teilnehmen und gelegentlich durchaus weltliche Äußerungen aufschnappen. Immer noch komplett matschig, halte ich mich jetzt aber lieber an Softdrinks. Mit Einbruch der Dunkelheit ist dann auch hier Feierabend.
Und schon ist Weihnachten vorbei. Es hat gar nicht weh getan.
Am zweiten Weihnachtsfeiertag gilt bereits wieder business as usual. Den Tag verbringe ich mit Fotos sortieren, etwas Buchhaltung und gepflegtem Herumhängen. Zum Schreiben fehlt mir der Antrieb. Der erste Abschnitt des blogs ist auch noch nicht fertig und die holde Leserschaft sitzt mir unentwegt im Nacken wie die Heilige Inquisition. Zur Entspannung gehe ich mich erst einmal im Swimmingpool abkühlen. Niemand sonst ist da - herrlich.
New Norcia Pool
Und morgen ist noch ein Tag frei, weil Sonntag ist. Entsetzlich, dieses Nichtstun. Da freue ich mich doch allen Ernstes schon wieder auf die Arbeit. Irgendetwas stimmt nicht mit mir.