Mittwoch, 23. Dezember 2009
Tag 2
Vor lauter Entsetzen ist gestern ein echtes Highlight völlig untergegangen: In meinem Zimmer steht nämlich ein Bett! Ein richtiges Bett! Mit vier Füßen! Mit Matratze, die völlig plan aufliegt! Für mich wäre eigentlich schon Weihnachten gewesen, denn ich durfte mich nach 58 Tagen Campen im Kombi erstmals wieder ordnungsgemäß zur Ruhe begeben. Mein Rücken ist allerdings der Ansicht, dass dieses Bett nicht unbedingt als Geschenk zu betrachten sei. Also wache ich an diesem Morgen viel zu früh auf und gehe gleich aus zweierlei Gründen gebeugten Rückens vor die Tür, um mir die Beine zu verteten und die verstörenden Gedanken zu ordnen.

Bei meiner Rückkehr treffe ich auf einen Mönch freundlichen Antlitzes und frage ihn, ob er denn nun wisse, wo der Abt zu finden sei. Halleluja, diesmal bin ich an der richtigen Adresse. Ach, ICH sei der junge Mann aus Deutschland, der hier ein paar Wochen arbeiten wolle, entgegnet Dom Christopher und entschwebt auf Adelers Fittichen um den Abt zu holen, auf dass er mich nun endlich begrüßen möge. Nun gut, jung ist zwar relativ, auch wenn es hier in Relation stimmen mag. Weit mehr als dies erfreut mich aber, dass es tatsächlich binnen weniger Augenblicke an meiner Pforte klopft und mir Abbot John wie der Erlöser erscheint. Er entschuldigt sich gleich für die vielen Unannehmlichkeiten, da sei doch Einiges weniger optimal gelaufen. Nein, das ist richtig scheiße gelaufen, schießt es mir durch den Kopf, aber aus Ehrfurcht vor diesen heiligen Hallen halte ich mich ausnahmsweise mit Verlautbarungen zurück, denn ich sah, dass es nun gut war.

Nach der freundlichen Begrüßung übergibt mich John in die Hände von Father Ian. Der ist zwar kein Mönch, aber als eine Art Freiberufler im Dienste des Klosters tätig und zwar sowohl in weltlichen als auch in kirchlichen Belangen. Der weltliche Ian führt mich alsbald zum Ort meiner künftigen Tätigkeit. Im Zentrum des Klosters befindet sich ein rudimentärer formal garden, wo Kanten zu schneiden, Laub zu harken und Wege zu fegen sind. Ich soll etwa drei bis vier Stunden täglich arbeiten und kann mir die Zeit frei einteilen. Damit kann ich gut leben. Und für den Nachmittag werde ich gleich zwecks Orientierung zu einer touristischen Führung durch die Örtlichkeiten angemeldet.

Nun, da die Dinge geregelt scheinen, kann ich mich erst einmal in meiner Bude häuslich einrichten. Ohne vernünftige Ordnung findet man ja nichts wieder.


Stube Nr. 7

Es dauert nicht lang, dann ist es auch schon Zeit zum Mittagessen. Diesmal stehe ich rechtzeitig am richtigen Ort und hänge mich an den Tross aus Mönchen und anderen Gästen an. Im herrlich kühlen Refektorium wird mir ein Platz zugewiesen, ein Gebet gesprochen und dann die Mahlzeit schweigend in einer derartigen Geschwindigkeit eingenommen, dass ich mit dem Kauen kaum nachkomme. Aber ich preise den Herrn dafür, dass ich mir nicht schon wieder eine Tütensuppe auf dem Parkplatz kochen muss, wie gestern Abend.

Bald darauf beginnt die Führung durch die Gemeinde und führt an den wesentlichen Einrichtungen der 1846 gegründeten Mission vorbei.

Zentrum ist natürlich der eigentliche Klosterkomplex, hier südlich von der Seite des Guesthouses oder dem southern cloister mit der klösterlichen Kapelle aus gesehen:


New Norcia Monastery

Selbstverständlich braucht die Gemeinde zusätzlich eine richtige Kirche für die Messen.


Abbey Church

Im ehemaligen St. Joseph's Waisenhaus sind heute das Museum und die Kunstausstellung mit einer bedeutenden Sammlung religiöser Malereien untergebracht. 1986 war dies der Schauplatz eines Überfalls, bei dem zwei Männer die Kassiererin knebelten, 26 Bilder aus dem siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert grob aus dem Rahmen schnitten, die Leinwände schön praktisch einrollten und mit einem Leihwagen davonfuhren. Dank der meist verlässlichen Dämlichkeit solcher Täter, konnten diese schnell gefasst und alle Kunstwerke bis auf eines sichergestellt werden - einer der Malefizbuben hatte das Tatfahrzeug unter seinem eigenen Namen angemietet. Die aufwändige Restauration der Bilder dauert dagegen bis zum heutigen Tage an.


New Norcia Museum & Art Gallery

Die Vermittlung von Bildung war bei den Benediktinern von Anfang an ein Schwerpunkt ihrer Tätigkeiten. Auch der erste Abt und einer der Gründerväter der Mission New Norcia, Rosendo Salvado, war darauf bedacht, einheimischen Kindern eine praktische Bildung und den christlichen Glauben, unter respektvoller Berücksichtigung der Kultur der australischen Ureinwohner, zu vermitteln. Das ist gerade für damalige Missionare ziemlich ungewöhnlich.

Salvados Nachfolger verlagerte den Schwerpunkt dann auf die Ausbildung der weißen Bevölkerung Westaustraliens. Er entwarf und beauftrage dafür zunächst den Bau einer Schule für Mädchen, die im Jahre 1908 fertiggestellt wurde.


St. Gertrude's College für Mädchen

1909 folgte dann gleich eine Schule für Jungen.


St. Ildephonsus College für Jungen

Der dritte Abt ließ das heutige New Norcia Hotel errichten, in dem früher Eltern auf Besuch untergebracht wurden.


New Norcia Hotel

Die Schulen sind schon lang nicht mehr in Betrieb. Die Räumlichkeiten werden heute an Gruppen mit bis zu 200 Personen, wie Seminaristen oder Musiker, die in den jeweiligen Kapellen spielen wollen, vermietet.


Kapelle im St. Gertrud's College

Für den Überblick hier noch ein Lageplan - ohne Maßstab und Nordpfeil. Norden ist rechts:


The Benedictine Community

Richtung Norden gibt es noch ein paar Wohnhäuser - das war es dann schon. Insgesamt beschäftigen die Mönche hier 73 Mitarbeiter, um den Klosterbetrieb aufrecht zu erhalten, das eigene Brot zu backen, New Norcia Olivenöl zu pressen, und noch und nöcher.

Nach zwei Stunden ist die Führung vorbei und ich bin im Eimer. Also döse ich noch ein wenig und um nehme um 19 Uhr ein hektisches Abendessen ein. Damit wäre der Tag für heute eigentlich gelaufen. Eines Problemes muss ich mich aber leider noch annehmen, nämlich des verfluchten Telefons. Ich bete drei Ave Maria und versuche es nochmals ganz von vorn. Und tatsächlich, das Geheimnis des Telefons hat sich wie durch ein Wunder gelöst: Hier muss man ERST die Nummer wählen, und DANN die Münzen einwerfen. Wirklich sehr sinnvoll, wenn alle anderen Telefone im Lande genau umgekehrt funktionieren.